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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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Stattdessen beschließe ich, mich intensiver mit meiner Mutter zu befassen. Bei unserem nächsten Telefonat höre ich genau hin, und wieder kritisiert sie Anoki ziemlich offensiv.
    »Du urteilst aber ganz schön hart über Anoki«, sage ich. »Was erwartest du denn von ihm? Benjamin war doch auch kein Engel, und der hatte immerhin ein intaktes Elternhaus.« Es ist in meiner Familie tabu, Kritik an Benjamin zu üben, und entsprechend verunsichert erwidert meine Mutter: »Wie meinst du das denn?«
    »Na, du wusstest doch, dass du dir mit Anoki so eine Art Problemkind ins Haus holst, oder? Du warst aber unheimlich versessen drauf, ihm ein Heim und Zuwendung und so weiter zu geben. Bist du jetzt irgendwie enttäuscht, weil er nicht innerhalb von ein paar Wochen zum Klassenbesten und Vorzeigesohn geworden ist?«
    »So ein Quatsch«, zischt meine Mutter, »was du wieder redest! Aber du nimmst ihn ja immer in Schutz, egal was er angestellt hat!«

 
 
49
    Anoki chattet immer noch regelmäßig mit dem Mädchen aus Dresden, und nun hat sie angekündigt, dass sie am Samstag in Berlin zu einem Konzert gehen will. Ich habe mir von Anoki ihr Foto mailen lassen: die ist tatsächlich gefährlich hübsch. Falls das Bild wirklich von ihr ist, heißt das. Im Internet wird ja mehr betrogen als auf einem tunesischen Teppichbasar. Jedenfalls kann ich verstehen, dass Anoki in hormoneller Auflösung begriffen ist und sich unbedingt mit ihr treffen will. Verstehen ja – aber nicht billigen. Tatsächlich könnte ich vor Eifersucht riesige Stücke aus meinem Laminatboden beißen. Herrgott, das ist wirklich eine Herausforderung! Ich hole ihn Freitagabend in Spandau ab, wo er mich als Erstes nötigt, mit ihm einkaufen zu gehen. Es geht auf die warme Jahreszeit zu, und er beklagt sich schon seit geraumer Zeit, dass er nur Winterklamotten hat. Diesmal bringt er ein bisschen Kleidergeld von meinen Eltern mit. Trotzdem reicht es hinten und vorne nicht aus, um seine exquisiten Wünsche zu befriedigen, und ich muss ungefähr denselben Betrag noch mal drauflegen, damit er halbwegs angemessen gekleidet durchs Frühjahr kommt. Jedes Mal, wenn er mit einem neuen coolen Shirt aus der Umkleidekabine tritt und mich erwartungsvoll anstrahlt, denke ich daran, dass er sich morgen ebenso sexy seiner kleinen Chatfreundin präsentieren wird. Sie wird sich auf der Stelle in ihn verlieben, und er sich in sie, und … übrig bleibt ein ausgebluteter, gequälter, vor Eifersucht halb wahnsinniger großer Bruder.
    »Du bist irgendwie komisch heute«, beschwert sich Anoki, »hast du wieder schlecht geschlafen oder was?«
    Ich nicke nur schwach. »Ja. Furchtbare Alpträume.« Und ich muss dafür nicht mal die Augen schließen.
    Voller Mitleid legt Anoki die Hand auf mein Schulterblatt und steigert damit meine Qualen ins Unermessliche. »Och, du arme Sau.« Dann entdeckt er ein neues begehrenswertes Shirt und stürzt sich darauf. »Guck mal, wie findst’n das?«
    »Super«, stöhne ich kraftlos.
    Anoki hat mit Sheela verabredet, dass sie sich vor dem Konzert am Ostbahnhof treffen und irgendwo was trinken oder essen gehen. Ich bekämpfe unaufhörlich niederträchtige Ideen, zum Beispiel ihn die Treppe runterzustoßen, damit er sich was bricht, oder ihn unter dem Vorwand, ich müsste schnell ein Sixpack Bier kaufen gehen, in meiner Wohnung einzuschließen und erst nach Stunden wiederzukommen. Irgendwann sagt Anoki: »Heute bist du schon wieder so scheiße drauf. Ist irgendwas mit dir? Also, wenn’s nicht so lächerlich wär, würd ich sagen, du bist eifersüchtig.«
    »Haha, ja, wirklich lächerlich«, presse ich hervor und verziehe meinen Mund zu einem gekünstelten, starren Lächeln.
    Anoki guckt mich skeptisch an. Während er sich stylt – das neue olivgrüne Tanktop über einem schwarzen Langarmshirt, dazu die Cargohose mit den aufgesetzten Taschen und der gefährlich aussehende Nietengürtel, und dann natürlich jede Menge Kajal –, zappe ich mich nervös und gereizt durch fünfzig Kanäle mit gehaltlosem Mist. Fertig aufgebrezelt steht er schließlich vor mir, zum Niederknien schön. Ich beschließe, ihn jetzt und hier und augenblicklich flachzulegen, dann wird er Sheela schon vergessen, aber er sagt: »Ich fahr jetzt, okay?«
    Und da ich keine Antwort gebe, sondern ihn wahrscheinlich mit einem Ausdruck debiler Begierde anstarre, fragt er leicht verunsichert: »Alles in Ordnung mit dir?« Er lässt sich neben mich auf die Couch fallen.
    Ich springe hoch, als

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