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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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sofort.
    »Ich hab Judith von unseren Urlaubsplänen erzählt«, falle ich mit der Tür ins Haus. »Sie und Una wollen gerne mitkommen.«
    Anoki klappt im wahrsten Sinne des Wortes der Unterkiefer runter. Er starrt mich fassungslos an und schweigt länger, als ich ihn jemals habe schweigen hören. Dann springt er auf, fegt mit einer blitzschnellen Handbewegung meine Bierflasche vom Tisch und rennt weg. Ich renne hinterher, ohne mich um die zerbrochene Flasche und den erschrockenen Aufschrei meines Vaters aus dem Hintergrund zu kümmern, aber Anoki ist verflucht schnell und bereits durch das Haus hindurch und raus auf die Straße gerannt. Ich erwische ihn erst nach rund hundert Metern am Ärmel. Er wehrt sich, ich verliere ihn, renne noch mal wie ein Idiot hinter ihm her und packe ihn dann am Oberarm – etwas fester, als ich eigentlich will.
    »Jetzt hör doch mal zu!«, schreie ich ihn an, während er zerrt und zappelt. Er tritt mir so heftig vors Schienbein, dass ich Sterne sehe. Ich lasse ihn los, er haut wieder ab in Richtung Stadtpark, ich jage ihn humpelnd erneut. O Mann, hoffentlich sehen das die Nachbarn nicht – zum ersten Mal verstehe ich, was in meiner Mutter vorgeht.
    Im Wald hole ich ihn wieder ein, und es gelingt mir, ihn mit dem Gesicht voran zu Boden zu schubsen und mich auf seinen Hintern zu setzen. Seine Fäuste fixiere ich mit beiden Händen im Vorjahreslaub, rechts und links von seinem Kopf. Obwohl mein misshandeltes Bein wie wahnsinnig pocht, meine Lunge fast platzt und der Schweiß mir in den Augen brennt, muss ich mich gewaltsam zusammenreißen, damit mir diese Situation hier nicht entgleitet. Anoki liegt nach ein paar erfolglosen Widerstandsversuchen schwer atmend, aber still unter mir. Ich denke an Zahnfleischentzündungen und sage: »Mann, hör mir doch erst mal zu, du Arsch. Ich wollte das doch gar nicht. Sie hat sich sozusagen selbst eingeladen, ich konnte überhaupt nichts dagegen machen.«
    Von jenseits der Dreads kommt nur so etwas wie ein Zischen. »Ich würde lieber mit dir alleine verreisen, glaubst du mir das?« Keine Reaktion. »Wir müssen eben das Beste draus machen«, fahre ich fort, »vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm.«
    Anoki bäumt sich auf, aber es gelingt ihm nicht, mich abzuwerfen. Er dreht sein Gesicht etwas zur Seite, und ich sehe, dass er weint.
    Er weint, und ich bin der Grund dafür! Ich fühle mich, als würde ich von einem Stahlrohr durchbohrt, gleichzeitig weicht die gesamte Kraft aus meinen Muskeln. Ich lasse Anokis Hände los, rolle mich seitlich von ihm runter, lege mich neben ihn und ziehe ihn an mich. Er wehrt sich nicht. Ich denke an Terpentin, streichle seine langen Haare und seinen Rücken und flüstere immer wieder: »Tut mir leid, tut mir so leid.«
    Nach zwei, drei Minuten reißt er plötzlich das Knie hoch und rammt es mir ungebremst in die Weichteile. Während ich schreie und mich fast bewusstlos vor Schmerzen am Boden krümme, springt Anoki auf und verschwindet im Wald.

62
    Ich brauche unendlich lange, bis ich mich wieder hochrappele. Wann hatte ich das letzte Mal solche Schmerzen? Hatte ich überhaupt schon mal solche Schmerzen? Sonderbarerweise bin ich kaum wütend auf ihren Verursacher, nur äußerst besorgt. Wo ist er hingerannt, was macht er jetzt, stellt er etwas an? Wie kann ich ihn wieder beruhigen? Immer noch in gekrümmter Haltung schleppe ich mich den Waldweg entlang in Richtung See. Jeder Schritt sendet unvorstellbare Schmerzsignale an mein Gehirn, verbunden mit der eindringlichen Mahnung »Bleib endlich stehen und ruh dich aus«, aber ich habe Angst, dass ich Anoki nie mehr wiederfinde. Er hat sowieso schon einen riesigen Vorsprung. Und ich weiß nicht mal genau, in welche Richtung er gerannt ist. Schon nach zehn Minuten muss ich aufgeben, es geht einfach nicht mehr. Ich lasse mich auf eine Bank am See fallen und bin froh, dass hier nur so wenige Leute entlangkommen. Wahrscheinlich sehe ich mit meinem vor Schmerz getrübten Blick und den zerzausten Haaren aus, als wäre ich soeben aus der Forensik getürmt. Ich ziehe mein Hosenbein hoch und stelle fest, dass Anoki mit seinem Tritt gegen mein Schienbein erhebliche Verwüstungen angerichtet hat. Den Rest guck ich mir lieber später an, oder besser gar nicht. Ich sehne mich nach etwas Kaltem zum Drauflegen. Jetzt werd ich wahrscheinlich keine Kinder mehr zeugen können, aber ich kann auch nicht behaupten, dass das im Moment mein vorrangiges Bedürfnis wäre.
    Zwei Jogger und ein

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