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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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Ehepaar mit Hund kommen vorbei und mustern mich mit einer Mischung aus Misstrauen und Abscheu, ehe ich mich erneut aufraffe und mich den Seewanderweg entlangschleppe. Wohin wird Anoki gerannt sein? Richtung Jahnbad oder Richtung Alt Ruppin? Ich entscheide mich für Letzteres, weil dort sein Kumpel Nick wohnt und ich mir vorstellen kann, dass er bei ihm Unterschlupf sucht. Gleichzeitig wird mir klar, dass ich es niemals zu Fuß bis dorthin schaffen werde – nicht in meinem Zustand. Ich fische mein Handy aus der Hosentasche und wähle Anokis Nummer. Es klingelt fünf- oder sechsmal, dann wird abgenommen und direkt wieder aufgelegt. Ich gehe sehr langsam nach Hause zurück, wo meine Eltern in kopfloser Aufregung herumhüpfen und mich sofort mit Fragen überfallen.
    »Wo ist Anoki? Was war denn los? Wieso seid ihr plötzlich weggerannt? Wer hat die Bierflasche umgeschmissen? Wo warst du die ganze Zeit?« und so weiter. Irgendwann fragt meine Mutter auch mal: »Was ist mit dir los? Tut dir was weh?« Immerhin. Ich gebe nur eine äußerst reduzierte Zusammenfassung der Ereignisse und ziehe mich dann mit einem Kühlakku aus dem Gefrierfach in mein Zimmer zurück.
    Anoki kommt die ganze Nacht nicht nach Hause, und als wäre ich nicht schon verzweifelt genug, machen meine Eltern mir auch noch die Hölle heiß. Sie bedrängen mich mit Fragen, wollen jedes Detail unserer Auseinandersetzung wissen und geben mir an allem die Schuld. Warum habe ich Anoki die unangenehme Nachricht so schonungslos mitgeteilt, warum hab ich ihn nicht festgehalten, wie kann es sein, dass ich mich von einem Vierzehnjährigen überwältigen lasse und dieser ganze Mist. Es kommt mir so vor, als wären sie beinahe glücklich, dass wieder alles beim Alten ist: Ich bin schuld, und der Kleine ist weg.
    Zwischendurch versuche ich immer wieder, Anoki anzurufen, aber entweder geht er gar nicht ran, oder er legt direkt wieder auf. Ich schicke ihm eine Serie von SMS, in denen ich ihn anflehe, mir zu verzeihen, sich zu melden, mir eine Chance zu geben, nach Hause zu kommen und was weiß ich, auf die ich natürlich keine Antwort erhalte. Ich erniedrige mich wirklich bis zum Äußersten, vor allem wenn man bedenkt, dass er mich gerade beinahe zum Krüppel getreten hat. Dies ist wohl so ziemlich mein unerfreulichster Abend seit über fünf Jahren.
    Am Samstag während des Frühstücks, das ich gemeinsam mit meinen vorwurfsvoll schweigenden Eltern einnehme, kommt Anoki nach Hause. Wir hören ihn die Haustür öffnen, seine Schuhe in die Ecke pfeffern und die Treppe hochgehen, und wechseln ratlose, alarmierte oder fragende Blicke. Ich lege mein angebissenes Honigbrötchen auf den Teller, wische mir die Finger an der Serviette ab und eile ihm hinterher. Anoki sitzt an seinem PC und tut so, als sei er unbeschreiblich beschäftigt. Nicht mal ein Drehen des Kopfes verrät, dass er mich hereinkommen hört. Ich bleibe unschlüssig in der Tür stehen und überlege, ob ich mich entschuldigen soll oder ob ich darauf bestehen soll, dass er es tut. Dann beschließe ich, mir zuerst mal die überlegene Position zu sichern.
    »Du könntest wenigstens kurz hallo sagen«, sage ich zu seinem Hinterkopf, »das ist doch hier kein Hotel. Meine Eltern haben sich Sorgen um dich gemacht.«
    Anoki schiebt seine Maus herum und klickt. »Ach nee«, erwidert er spöttisch, ohne sich umzudrehen. »Hast du denen nicht erklärt, was für ’ne Scheiße du gebaut hast?« Ts! Das Früchtchen scheint auf Streit aus zu sein.
    »Ich hab ihnen erklärt, welche Scheiße du gebaut hast«, erwidere ich kühl, »das heißt, nachdem ich dazu wieder in der Lage war.«
    Immerhin guckt er rasch über die Schulter. »Wie meinst’n das«, sagt er und tut desinteressiert. Er widmet sich wieder dem PC.
    »Na ja«, erkläre ich gedehnt, »erst hab ich mal eine ganze Weile da am Boden gelegen, und dann hab ich versucht, mich nach Hause zu schleppen, was noch mal ziemlich lange gedauert hat.«
    Anoki lässt die Maus los und schwingt sich auf seinem Drehstuhl zu mir herum. »So doll kann das doch gar nicht wehgetan haben«, sagt er unsicher.
    Ich zucke die Schultern. »Hab die ganze Nacht gekühlt. Jetzt geht es einigermaßen.«
    Alle Widerborstigkeit ist aus Anokis Augen gewichen. Ich hätte nicht gedacht, dass er bei dieser Brutalität so ein weiches Herz hat. »Ey, tut mir leid. Sollte nicht so feste sein.« Er steht zögernd auf und kommt zu mir rüber, bleibt aber in etwas mehr als einer Armlänge Entfernung

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