Herzblut 02 - Stärker als der Tod
jage ständig Wildschweine. Manche Viecher wiegen über zweihundertfünfzig Kilo! Verängstigte kleine Mädchen machen keine Jagd auf Tiere, die fünfmal so schwer sind wie sie.“
„Na und? Dann hast du eben keine Angst vor der Jagd. Aber ganz sicher hast du Angst vor der Liebe. Und fahr ja nicht bei Rot!“
Sie trat auf die Bremse, dass die Reifen quietschten, und kam nur Zentimeter vor dem Fußgängerübergang zum Stehen.
„Das ist doch albern! Ich liebe meine Eltern, meine Tanten und Onkel, sogar meine nervigen Cousins …“
„Das ist nicht das Gleiche, und das weißt du auch.“
Während wir auf Grün warteten, machte sich Schweigen breit. Als die Ampel umschaltete, bog Anne links ab, ohne zu blinken, und ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, damit uns keine Autos entgegenkamen.
Vor der Tomato Bowl trat sie noch mal aufs Gas, und wir rasten so schnell über die Bahngleise, dass wir leicht von unseren Sitzen abhoben. In der Kurve vor meiner Straße musste sie endlich bremsen. Mit quietschenden Reifen hielt sie vor meinem Haus an. Zuerstwurden wir nach vorn, dann zurückgeschleudert. Als sie den Wagen auf Parken stellte und den Motor ausmachte, seufzte ich erleichtert.
Das Schweigen wuchs weiter. Außer dem Ticken des auskühlenden Motors war kein Geräusch zu hören. Ich hätte aussteigen können, damit sie vor unserem Gespräch davonlaufen konnte. Aber das tat ich nicht. Dieses Mal nicht. Sie musste begreifen, was sie sich und Ron antat.
„Ich habe ja nicht als Einzige Angst“, sagte sie leise. „Was ist mit dir und Tristan?“
„Was soll mit ihm sein?“
„Du hast so viele Gründe, warum du nicht mit ihm zusammen sein kannst. Aber sei mal ehrlich. Wenn du es wolltest, würdest du es irgendwie schaffen und auf die Konsequenzen pfeifen. Genau wie am Anfang, als du dich auf ihn eingelassen hast.“
„Das war letztes Jahr eine dumme Entscheidung. Ich hatte keine Ahnung, dass meine Großmutter dafür bezahlen würde. Und nachdem ich gesehen habe, wie die Konsequenzen aussehen …“
„Das ist Schwachsinn, das weißt du genau. Du hast schon Stunden vorher beschlossen, dich von ihm zu trennen. Weißt du noch? Beim Frühlingsball hast du mir alles erzählt. Du hast gesagt, du hättest schon in Frankreich dem Vampirrat versprochen, Schluss zu machen.“
„Weil ich erfahren habe, dass ich ihn mit meinen Küssen umbringe!“ Okay, jetzt ging sie wirklich zu weit. Ich wollte mich zu ihr umdrehen, aber der Gurt hinderte mich daran. Knurrend kämpfte ich mit dem Schloss, bis es sich endlich öffnete. „Soll ich auch darauf pfeifen, dass ich ihn aus Versehen umbringen könnte? Soll es egal sein, dass er sein Leben riskiert, solange ich glücklich bin?“
Sie zögerte, und ich hörte sie denken: Na ja, nein, aber… „Bestimmt gibt es irgendeine Lösung. Kannst du ihn nicht verwandeln?“
Sie klang genau wie Tristan. Diese alte Diskussion musste ich wirklich nicht auch noch mit meiner sogenannten besten Freundin durchkauen. „Das kann ich nicht. Ich bin ja nicht mal eine richtigeVampirin. Und selbst wenn meine Vampirgene stark genug wären, um ihn zu verändern, würde er dabei sterben. Bis jetzt ist noch jeder Nachfahre gestorben, bei dem es versucht wurde.“
Sie wandte den Blick ab. „Klingt für mich nach einer Ausrede.“
„Nein, für mich klingt es danach, dass du immer noch wegläufst! Wieso solltest du dir auch eingestehen, dass du etwas falsch gemacht hast, wenn du den Spieß einfach umdrehen kannst? So fühlt sich halt deine beste Freundin mies, weil sie nicht haben kann, was sie will.“ Ich stieß die Tür auf und stieg aus. „Wenn ich mit Tristan zusammen sein könnte, ohne sein Leben aufs Spiel zu setzen, wäre ich es auch, das kannst du mir glauben. Aber es geht nicht. Ich kann nichts daran ändern, was ich bin. Aber du bist nur unglücklich, weil du dich wie ein feiger Schwachkopf aufführst!“
Ihr fiel die Kinnlade runter. „Ich bin kein feiger Schwachkopf!“
„Stimmt. Bist du nicht. Deshalb habe ich ja gesagt, dass du dich so aufführst . Und nachdem du das weißt und ich das weiß und Ron es garantiert auch weiß: Kannst du uns nicht einen Riesengefallen tun und aufhören, dich so bescheuert zu benehmen? Ruf ihn an. Sag ihm, dass es ein Fehler war und es dir leidtut. Ich schwöre dir, wenn er dich nicht sofort zurücknimmt und dir verzeiht, werde ich … ich …“ Ich war so wütend, dass mir nicht mal ein gutes Versprechen einfiel. „ … gehe ich mit dir
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