Herzblut 02 - Stärker als der Tod
das noch nie gemacht. Aber sie wirkte ziemlich fertig. Vielleicht hatten das Grippemittel oder Moms Kräutertrank oder beides zusammen Emily durcheinandergebracht.
„Ist deine Schwester Schlafwandlerin?“, fragte Officer Talbot.
Gleichzeitig leuchtete Dr. Faulkner mit einer kleinen Lampe, die er aus der Tasche gezogen hatte, in Emilys Augen. „Emily, hastdu öfter Aussetzer oder hörst von anderen, dass du etwas gemacht hast, woran du dich nicht erinnern kannst?“
„Nein.“ Die Tränen strömten ihr über die Wangen. „Und ich würde mich doch wohl daran erinnern, wenn jemand meinem Dad etwas getan hat.“
„Pass auf, ich sage nur, was ich gesehen habe und was ich weiß“, erklärte ich. „Vielleicht hat jemand oder etwas deine Erinnerung durcheinandergebracht. Aber ich war hellwach. Ich bin nicht krank und habe auch keine Medikamente genommen oder etwas getrunken, und ich weiß, was ich gesehen habe. Er war ziemlich jung, Anfang zwanzig vielleicht, hatte dunkelblondes Haar, hinten und an den Seiten kurz und oben etwas länger. Er war ungefähr so groß wie du, vielleicht ein Stückchen größer.“
Emily runzelte die Stirn. Sie wusste etwas.
„Kennst du jemanden, der so aussieht?“, fragte ich sie.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“ Aber in ihrer Stimme schwang ein gewisser Unterton mit, ein Hauch Unsicherheit, der nur jemandem aus ihrer Familie auffallen konnte. Ich versuchte noch einmal, ihre Gedanken zu lesen, kam aber nicht in ihren Kopf.
„Und du hast gesagt, dass du dir sein Nummernschild nicht gemerkt hast, richtig?“, wandte sich Officer Talbot an mich.
„Nein, ich habe gesagt, dass ich sein Auto überhaupt nicht gesehen habe.“
„Hast du ihn kommen hören?“
„Nein. Ich habe nur gesehen, wie er um das Haus herum zum Garten gegangen ist.“
Officer Talbot und Dr. Faulkner sahen sich an.
„Was ist?“, fragte ich.
„Wenn er ein Vampir war, hätte er von überallher kommen können“, erklärte Officer Talbot.
Aber das konnte nicht stimmen. „Ohne die Erlaubnis eines Nachfahren könnte ein Vampir doch nicht einfach die Lichtung betreten, oder?“
„Vielleicht wurde dein Vater außerhalb der Lichtung angegriffen und konnte in den schützenden Zirkel kriechen, bevor er gestorben ist“, überlegte der Polizist.
„Ich weiß nicht.“ Ich schüttelte den Kopf. „Irgendwas stimmt da nicht. Dad hätte sich gewehrt, egal, ob ihn ein Mensch oder ein Vampir angegriffen hätte. Bei einem Menschen hätte er seine Gedanken lesen und ihn vorher aufhalten können. Und einen Vampir hätte er nicht so nah an sich herangelassen.“
„Nicht einmal, wenn er den Vampir kannte und ihm vertraute?“ Mir gefiel nicht, wie Officer Talbot bei dieser Frage die Augen zusammenkniff. Er hatte schon jemanden im Sinn.
„Wer sollte das sein?“
„Oh, ich weiß nicht – vielleicht unsere Vampire hier aus der Stadt?“
32. KAPITEL
S avannah und ihr Vater? Sie hätten meinem Dad nie etwas getan und auch niemandem dabei geholfen.“ Ich wusste nicht, was Dad passiert war, aber darin war ich mir sicher.
„Trotzdem sollten wir ihnen einen Besuch abstatten und fragen, wo sie heute Abend waren“, erklärte Officer Talbot und legte eine Hand auf die Pistole, die er an seinem Gürtel trug.
„Sie hat nichts damit zu tun“, knurrte ich. „Sie war nicht hier. Lesen Sie meine Gedanken, dann können Sie es selbst sehen.“ Ich öffnete meine Gedanken, damit sie sehen konnten, dass ich die Wahrheit sagte.
„Woher willst du wissen, ob sie hier war?“, fragte der Polizist.
„Weil ich sie gespürt hätte“, blaffte ich. Langsam verlor ich wirklich die Geduld. Wenn dieser engstirnige Idiot nicht seine Vorurteile beiseiteschieben konnte, würde er die echten Hinweise übersehen, und der wahre Mörder würde ungestraft davonkommen.
„Wie spürst du sie?“, wollte Dr. Faulkner wissen.
„Es fühlt sich an wie ein Schlag in den Magen oder vor die Brust.“
„Passiert das nur, wenn du die siehst?“ Talbot wieder.
„Nein. Wenn sie mir näher als hundert Meter kommt, spüre ich es.“
„Interessant“, murmelte Dr. Faulkner. „Könnte ein verstärkter Schutzmechanismus sein.“
„Oder was anderes.“ Officer Talbot verzog die Lippen zu einem trägen Grinsen.
„He, im Gegensatz zu anderen Leuten lasse ich mich nicht von meinen Gefühlen beeinflussen“, sagte ich. „Ich sage die Wahrheit, ob sie Ihnen gefällt oder nicht. Ich hätte es gemerkt, wenn Savannah in der Nähe gewesen wäre.
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