Herzblut 02 - Stärker als der Tod
denken, an dem Savannahs Großmutter in ihren Armen gestorben war. Wieder war ich völlig hilflos. Und wieder konnte ich nichts sagen, um es uns irgendwie leichter zu machen.
Ich ging zu meiner Mutter und wollte sie umarmen, aber sie stieß mich weg.
„Er ist nicht tot“, knurrte sie. Sie klang nicht mehr wie die Mutter, die ich kannte, sondern wie ein wildes Tier. Sie hatte mir oft Angst gemacht, vor allem, wenn ich etwas angestellt hatte. Aber so unmenschlich hatte sie noch nie geklungen.
Sie probierte einen Zauber nach dem anderen an Dad aus, und die Lichtung und der Wald wurden von ihrer Magie und ihrem Willen erfüllt.
„Mom, er ist tot.“
„Nein, ist er nicht! Ich brauche nur den richtigen Zauber. Dein Vater ist zu stark, um zu sterben. Er ist noch nicht fort. Wenn ich den richtigen Zauber finde, kann ich ihn zurückholen.“
Aber niemand kannte mehr die alten Clann-Zauber, die bis in die Zellen des Körpers wirkten, und wir wussten nicht mehr, wie man Tote zum Leben erweckte. Niemand konnte Dad zurückholen.
Hätten wir doch nur schon vor ein paar Stunden nach ihm gesehen …
Wäre ich doch nur rausgegangen und hätte mit ihm und Emilyund dem Fremden gesprochen …
Emily. Sie wusste es noch nicht.
„Mom, wir müssen es Emily sagen.“
„Wir sagen ihr gar nichts. Er ist nicht tot.“
Ich berührte sie an der Schulter, damit sie zu sich kam. Zischend schlug sie meine Hand weg. „Lass uns allein!“ Sie beugte sich über Dads Leiche und flüsterte: „Komm zurück zu mir, Samuel. Ich bin jetzt hier. Ich verlasse dich nicht. Ich weiß, dass du mich noch hören kannst. Komm jetzt zurück zu mir.“
Ich konnte sie nicht hierlassen. Vielleicht war Dads Mörder, wer oder was es auch war, noch in der Nähe. Aber ich wusste auch, dass ich Emily holen musste. Schon jetzt würde sie uns nicht verzeihen, dass wir sie nicht früher geholt hatten. Genau wie Mom würde sie glauben, sie hätte ihn irgendwie retten können.
Und der Clann. Ich musste die Ältesten anrufen und ihnen sagen, dass wir keinen Anführer hatten, weil Dad gestorben war …
Mein Dad war tot … Ich überlegte, Mom zurück zum Haus zu tragen. Zierlich genug war sie. Aber sie würde sich wehren.
Sie drückte immer wieder mit den Handballen auf seine Brust. Ich konnte das nicht mit ansehen. Was sie mit Dad machte, war sinnlos. Niemals würde sie ihn so zurückholen. Jeder andere konnte sehen, dass er tot war.
„Mom, es ist zu spät“, versuchte ich es noch einmal.
Sie schubste mich mit beiden Händen weg, und ich musste mich an einem Baum festhalten, um nicht zu fallen. Sie war wie besessen. Man konnte sie nicht zur Vernunft bringen oder beruhigen. Und sie ließ sich nicht von hier wegbringen, wenigstens nicht von mir. Nicht ohne Gewalt.
Das konnte ich ihr nicht auch noch antun. Auch wenn sie im Moment außer sich war, konnte ich mir meine Mutter nicht wie ein Höhlenmensch über die Schulter werfen.
Ich musste zum Haus laufen, Dr. Faulkner anrufen und Emily dazu bringen, mit in den Wald zu kommen, und das alles so schnell wie möglich.
Ich nahm Moms Talisman ab und legte ihn ihr um ein Handgelenk. Helfen würde er wahrscheinlich nicht. Wenn Dad wirklichvon einem Vampir ermordet worden war, war es trotz der Schutzzauber auf der Lichtung passiert. Trotzdem musste ich versuchen, sie zu schützen, so gut es ging. Ich ließ auch die Taschenlampe bei ihr und legte sie eingeschaltet so auf den Boden, dass sie zum Haus zeigte. Vielleicht half sie Mom. Außerdem würden die anderen Nachfahren sie so leichter finden.
Dann rannte ich zurück, so schnell ich konnte, schneller als bei jedem Footballspiel, bis ich vor Dads Schreibtisch stand. Ich durchsuchte die Schubladen nach seinem Notizbuch aus schwarzem Leder, das die Namen, Adressen und Telefonnummern aller Nachfahren enthielt.
Dr. Faulkner meldete sich schnell. Nachdem ich ihm von Dad erzählt hatte, schwieg er einen Moment. Schließlich sagte er: „Ich bin schon unterwegs. Hast du sonst noch jemanden angerufen?“
„Nein. Ich muss wieder auf die Lichtung. Mom wollte … Dad nicht alleinlassen.“
„Gut. Ich rufe gleich alle anderen an. Kümmere du dich nur um deine Mutter und deine Schwester, bis wir kommen.“
Ich legte das Telefon weg, rannte aus dem Arbeitszimmer zum Fuß der Treppe und brüllte nach Emily.
Keine Antwort. Wahrscheinlich schnarchte sie so laut, dass sie mich nicht hörte. Sie hatte schon immer einen tiefen Schlaf gehabt.
Sollte ich nach oben laufen und
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