Herzblut 02 - Stärker als der Tod
Stein saß, aber nie, dass er flach auf dem Rücken liegen würde. Nicht mal auf der Lichtung.
„Dad!“ Ich hockte mich neben ihn und schüttelte ihn an der Schulter. Sein Kopf sackte zu meiner Seite, die Augen weit aufgerissen und matt, kein Schimmer, kein Anflug von dem Funkeln, das sonst in seinem Blick lag.
„Dad?“ Ich hielt den Atem an und legte eine Hand auf seine Brust.
Nichts. Kein Heben und Senken, wenn er atmete. Kein Herzschlag. Und er war kalt.
Noch wollte ich es nicht glauben. Ich tastete seinen Hals ab. Kein Puls.
„Dad!“ Ich drückte beide Hände auf seine Brust und versetzte ihm einen Energiestoß, wie es Dr. Faulkner im Frühjahr bei Savannahs Großmutter getan hatte. Aber es ließ sein Herz nicht wieder schlagen. Ich versuchte es noch einmal. Ich wollte, dass er blinzelte, atmete, keuchte, irgendwas. Aber im Innersten wusste ich, dass ich zu spät kam. Trotzdem musste ich es versuchen.
Ich konnte nicht mehr zählen, wie ich oft ich versucht hatte, sein Herz wieder zum Schlagen zu bringen, als ich schließlich aufgab. Er war tot.
Ich sah die Wunden an seinem Hals. Und wusste, was passiert war. Aber auch das wollte ich nicht glauben.
Mein Dad, der vierte Coleman, der den Clann angeführt hatte, wäre nie von einem Vampir besiegt worden. Völlig unmöglich. Vor allem nicht hier auf der Lichtung, umgeben von einigen der stärksten Schutzzauber der Welt. Die Magie an diesem Ort sollte Hunderte Nachfahren zugleich schützen. Kein Vampir hätte die Lichtung betreten können, ohne dass ein Nachfahre es ihm erlaubt hätte, so wie ich bei Savs Dad, als wir aus Frankreich zurückgekommen waren. Und selbst wenn die Schutzzauber versagt hätten: Dad wäre zu stark und zu erfahren gewesen. Er hätte sichgewehrt, und Emily und ich hätten die Energie gespürt und ihm helfen können.
Es musste eine Falle gewesen sein.
Ich starrte ihn an, sah seine Augen, den gebrochenen Blick, und konnte immer noch nicht glauben, dass er tot war. Meine Augen brannten, die Brust hatte sich so zusammengeschnürt, dass ich kaum atmen konnte. Er hätte doch ewig leben sollen, oder wenigstens, bis er achtzig oder neunzig war. Ich hätte noch jahrzehntelang von ihm lernen sollen. Er war unbesiegbar, der mächtigste und begabteste Zauberer des ganzen Clanns.
Obwohl ich wusste, dass er tot war und ich ihn nicht retten konnte, wollte ich ihn nicht hier liegen lassen. Aber ich musste. Ich hatte kein Handy mitgenommen, und Dads war nirgendwo zu sehen. Ich musste zum Haus gehen und es Mom sagen.
Mom.
Ich dachte daran, wie sie auf den Tod ihrer Schwester reagiert hatte. Dad zu verlieren würde sie schlichtweg nicht verkraften. Ich wusste ja selbst nicht, wie ich es verkraften würde, wenn der Schock nachließ. Bis jetzt war es für mich noch nicht real. Ich wollte nicht, dass es real war.
Ich folgte dem Weg zum Haus und lief über den Rasen. Viel zu schnell hatte ich die kleine Treppe vor der Küche erreicht und betrat das Haus.
„He, hast du …“ Mom stand vor dem Herd und drehte sich zu mir um, in einer Hand einen Pfannenschieber, in der anderen ein Glas Rotwein.
Sie sah mich an und las die Gedanken, die ich vor lauter Panik nicht verbergen konnte.
Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Er ist zu stark.“
„Mom“, sagte ich mit erstickter Stimme, mehr brachte ich nicht heraus. Ich ging langsam zu ihr.
„Nein“, flüsterte sie. Sie ließ das Weinglas fallen. Es zerschellte auf dem Boden und überzog uns, die Fliesen und die Schränke mit roten Spritzern wie nach einem blutigen Angriff.
Ich wollte sie in die Arme nehmen und versuchen, sie zu trösten. Ich wusste, dass ich stark sein und sie stützen musste, so wie Dadletzte Woche bei der Beerdigung ihrer Schwester. Aber sie drängte sich an mir vorbei und lief aus der Tür, ohne ihren Mantel oder auch nur eine Taschenlampe mitzunehmen.
Ich musste rennen, um sie einzuholen. Nicht mal als sie den dunklen Wald erreichte, wurde sie langsamer. Auf halbem Weg zur Lichtung stolperte sie über einen Ast. Wenn ich sie nicht am Ellbogen festgehalten hätte, wäre sie gefallen. Ohne etwas zu sagen, riss sie sich los und rannte weiter.
Ich leuchtete gerade noch rechtzeitig mit der Taschenlampe, bevor sie über ihn stolperte.
Im ersten Moment stand sie nur da. Dann schrie sie gellend auf. Wenn es die irischen Todesfeen aus den alten Geschichten wirklich gegeben hatte, hatten sie so geklungen. Sie fiel neben ihm auf die Knie, und ich musste an den furchtbaren Tag
Weitere Kostenlose Bücher