Herzblut 02 - Stärker als der Tod
ich ihr einfach nicht mehr so vertrauen wie früher.
Also schloss ich meine Tür und legte mich im Dunkeln aufs Bett. Und versuchte das Bild, wie mich Dads leere Augen angestarrt hatten, aus dem Kopf zu kriegen. Irgendwann schlief ich vor Erschöpfung ein.
33. KAPITEL
I ch hatte immer geglaubt, meine Mom habe mein Zimmer so verzaubert, dass ich mich nicht im Traum mit Savannah treffen konnte. Aber wie sich zeigte, hatte Dad die Zauber geschaffen und immer wieder erneuert, nachdem Mom ihn darum gebeten hatte. Mit seinem Tod war auch der letzte Funken Magie aus dem Zauber verschwunden, der schon vorher schwach geworden war.
Das wurde mir klar, als mein Unterbewusstsein in dieser Nacht versuchte, Savannah zu erreichen. Unsere Gedanken verbanden sich so einfach, als hätten die Träume nie aufgehört.
„Tristan!“ Sie lief durch den dämmrigen Garten auf mich zu. „Was ist passiert?“
Ich saß hinter unserem Haus auf dem Rasen und konnte und wollte nicht aufstehen. Erst als sie direkt vor mir stand, sagte ich es ihr. „Mein Vater ist gestorben.“
Sie atmete tief durch die Nase ein. Dann ließ sie sich neben mir auf die Knie fallen. „Mein Gott, Tristan. Es tut mir so leid. Was ist passiert?“
„Jemand hat ihn auf der Lichtung getötet.“ Auf der Lichtung, auf der schon so viel passiert war. Auf der Savannah und ich in der vierten Klasse in unseren Träumen miteinander gespielt und uns letztes Jahr geküsst und getanzt und stundenlang geredet hatten. Und auf der ihre Großmutter gestorben war.
Eine echte Erinnerung, die sogar die Traumversion eines Ortes vergiften konnte, das wurde mir schmerzlich bewusst. Ich würde den Wald nie wieder betreten oder auch nur ansehen können, ohne Dads leblosen, kalten Körper vor Augen zu haben.
„Er ist allein gestorben, Sav. In der Kälte. Im Dunkeln. Er hatte keine Taschenlampe. Und anscheinend hat er sich nicht mal gewehrt. Warum hätte er sich nicht wehren sollen?“ Ich schrie, während ich mit den Händen Klumpen von Erde und Gras aus dem Rasen riss. Ich musste mich beherrschen. Vor Savannah wollte ich nicht ausrasten.
„Schscht“, machte sie und nahm mich in die Arme.
Erst rührte ich mich nicht. Ich hatte Angst, alles wäre vorbei,wenn ich sie umarmte. Aber dann drehte ich mich zu ihr und klammerte mich an sie, und erst in diesem Moment wurde es mir wirklich bewusst.
Ich würde meinen Vater nie wieder sehen, nie wieder mit ihm reden oder ihn fragen können, was ich tun oder wie ich den Clann führen sollte. Er würde mir nichts mehr beibringen über Magie oder Football oder wie ich am besten mit meiner neurotischen, herrischen Mutter umgehen konnte.
„Er ist tot, Sav. Er hat uns verlassen.“ Ich vergrub das Gesicht an ihrem Hals und schlang die Arme um ihre Taille, froh darüber, dass sie so stark war und ich keine Angst haben musste, ich könnte sie zerbrechen. Wut und Schmerz stiegen in mir auf, sie wollten mich von innen heraus ertränken, aber Savannah war mein Anker. Sie rettete mich, sie gab mir Halt. Ihre Hände strichen mir sanft über den Rücken und holten mich langsam aus der Finsternis.
Sie wusste, wie ich mich jetzt fühlte. Nach dem Tod ihrer Großmutter hatte sie das Gleiche durchgemacht.
Damals hatte ich es nicht gewusst, konnte es nicht nachfühlen. Diesen Schmerz und dieses Gefühl von Verlust musste man selbst erleben, um es zu verstehen.
„Ich weiß“, murmelte sie. „Es fühlt sich an, als hätte dir jemand das Innerste herausgerissen.“
Ich nickte, weil ich nicht mal wusste, ob ich sprechen konnte. Ich hatte keine Kontrolle über mich, hatte ihr sogar mit kindischen Tränen das Shirt nass geweint. Dabei war sie der letzte Mensch, der mich so sehen sollte.
Ich wischte mir mit den Ärmeln das Gesicht ab, lehnte mich zurück und sah ihr in die Augen. Ob sie mich für schwach hielt? Aber ich sah nur … Liebe. Sie sprach aus Savannahs Blick, warmherzig, ohne zu urteilen, und sie sagte mir, dass wir immer noch die Gleichen waren. Ob Vampirin oder Hexe, ob für alle anderen recht oder unrecht – wenn ich Savannah ansah, sah ich hinter ihrem Äußeren den einzigen Menschen auf der Welt, durch den ich mehr wurde, der so vollkommen zu mir passte, dass es mir den Atem verschlug. Sie machte mich nicht vollkommen oder füllte irgendeine Leere. Wir waren auch keine Puzzlestücke, die zueinanderpassten, es warviel größer und wichtiger. Ich konnte es nicht richtig beschreiben, aber wenn wir zusammen waren, erschien mir alles
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