Herzblut 02 - Stärker als der Tod
ein Stöhnen, rollte mich zusammen, drückte mir das Kissen auf den Kopf und wünschte, ich könnte die Erinnerungen vertreiben.
Am nächsten Morgen klingelte der Wecker viel zu früh. Ich hatte kaum geschlafen, weil ich gegen die Albträume von Nanna und die Erinnerungen an Tristan angekämpft hatte. Ich stöhnte und schlug auf den Schalter des Weckers. Ich musste mich für das Charmers-Training vor dem Unterricht fertig machen.
Bei dem Gedanken erstarrte ich. Würde Tristan auch dort sein?
Gestern hatte ich Mrs Daniels angerufen und ihr gesagt, dass ich heute wieder zum Training kommen würde. Ich hätte fragen sollen, ob Tristan auch kommen würde. Sicher nicht. Seine Eltern würden ihn, so gut es ging, von mir fernhalten. Wenn ich richtig Glück hatte, hätten sie ihn auch aus dem Geschichtskurs genommen, den wir jeden zweiten Tag zusammen besuchten.
Während ich mich für die Schule zurechtmachte, versuchte ich mich zu beruhigen. Ich wollte mir ein Schälchen Haferflocken in die Mikrowelle stellen, sozusagen eine Art Sparversion von Nannas Frühstück. Aber nach einem Blick in das schmuddelige Kabuff, das unsere Küche darstellen sollte, überlegte ich es mir anders. Vampire vertrugen kein normales Essen, also würde Dad dieses Zimmer wahrscheinlich erst später renovieren. Aber wenn ich hier auch nur einen Bissen herunterbringen wollte, musste ich dieses scheußliche Loch voller Spinnweben erst mal ordentlich putzen. Und bei dem Glück, das ich in letzter Zeit hatte, würde die Mikrowelle wahrscheinlich einen Kurzschluss in die alten Stromleitungen hauen und das Haus abfackeln.
Ich müsste Dad sagen, dass ich ging. Aber wo war er? Aus dem Wohnzimmer drang lautes Hämmern. Ich folgte dem Geräusch. Inder Tür blieb ich wie angewurzelt stehen. Mein Vater stand im Kamin, sein ganzer Oberkörper war im breiten, tiefschwarzen Abzug verschwunden. Bei jedem Schlag seiner Werkzeuge quollen Rußwolken hervor.
Er trug … Jeans? Ich hatte ihn noch nie ohne Anzug gesehen.
„Äh, Dad?“
Er duckte sich unter dem Kamin hervor. „Guten Morgen, Savannah. Hast du gut geschlafen?“
Ja klar, wie ein Stein. „Reparierst du den Kamin selbst?“
„Ja. Ich muss ihn nur ein bisschen säubern und die Nester entfernen. Dann sollte er wieder einwandfrei funktionieren.“
Plötzlich sah ich vor meinem inneren Auge, wie er ein Feuer anzünden wollte und damit das Haus in die Luft jagte. Ich zuckte zusammen. „Solltest du nicht lieber einen Profi rufen?“
„Ich bin durchaus in der Lage, einen Kamin zu reinigen, Savannah.“
Bestimmt hatte er recht. So alt, wie er war, hatte er womöglich sogar mitbekommen, wie Kamine erfunden wurden. „Ich muss los zu den Charmers.“ Ich warf einen Blick auf die Uhr. „Wenn ich mich nicht beeile, komme ich noch zu spät.“
Er nickte. „Wann kommst du heute Abend nach Hause?“
„Keine Ahnung. Nach der Schule haben wir wieder Training.“
Er zog die dunklen Augenbrauen hoch, sodass sie unter seinen schwarzen Locken verschwanden. Normalerweise war er immer ordentlich gekämmt, jetzt hingen ihm die Haare in die Stirn. „Und du weißt nicht, wie lange das Training nach dem Unterricht dauert?“ Ich war mir nicht sicher, ob sein Unterton eher misstrauisch oder vorwurfsvoll klang.
Ich sah ihn nur an. Jahrelang hatte er in meinem Leben so gut wie keine Rolle gespielt. Und jetzt wollte er mich plötzlich kontrollieren, nur weil ich bei ihm einziehen musste?
„Savannah, ich bin nicht so indifferent wie deine Mutter oder deine Großmutter. Ich muss deinen Stundenplan kennen und genau wissen, wann ich dich jeden Tag zu Hause erwarten kann.“
Indifferent? Benutzte irgendwer noch dieses Wort? Außerdem hatten mich meine Mutter und Großmutter ordentlich erzogen.Nur weil ich einen Fehler gemacht hatte, der katastrophale Folgen hatte …
Na schön. Vielleicht hatte er recht. „Normalerweise weiß ich, wann das Training zu Ende ist. Aber im Moment laufen die Vorbereitungen für die jährliche Frühlingsschau in einer Woche. Deshalb trainieren wir jeden Morgen vor dem Unterricht um Viertel vor sieben und danach bis mindestens sieben oder acht Uhr. Beim Training abends weiß ich nie, wie lange es dauert, weil es davon abhängt, wie lange die einzelnen Gruppen trainieren. Ich muss dableiben, bis die Letzte gegangen ist, damit ich abschließen kann. Genauer kann ich es also nicht sagen. Soll ich abends anrufen, wenn wir fertig sind?“
„Ja, bitte. Ich habe meine Nummer auf deinem Handy
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