Herzblut 02 - Stärker als der Tod
gespeichert.“ Er zog mein Handy aus seiner Hosentasche und warf mir die digitale Hundeleine zu.
Nachdem ich das Handy in meine blaue Sporttasche gepackt hatte, wollte ich zur Tür und raus in die Freiheit.
„Ach, Savannah?“
Ich wandte nur den Kopf und schaffte es gerade noch, einen ungeduldigen Seufzer zu unterdrücken. Wenn er so weitermachte, kam ich bestimmt nicht pünktlich zum Training.
„Wenn du dich in irgendeiner Hinsicht seltsam fühlst, ruf mich sofort an.“ Das war keine Bitte, sondern eine strenge Warnung.
Weil ich sonst Amok laufen würde, bevor er mich aufhalten konnte? Pfff. „Ja, Dad“, grummelte ich und machte, dass ich rauskam.
Noch auf der kurzen Fahrt bis zum Parkplatz vor der Schule grummelte mein Magen vor Ärger.
Als ich über das dunkle Schulgelände lief, musste ich daran denken, wie viel Angst ich vor den Beobachtern gehabt hatte. Jetzt verwandelte ich mich in eine richtige Vampirin und war selbst das Furchteinflößendste, was man sich hier vorstellen konnte.
Kopfschüttelnd lief ich die Betonrampe zum Sport- und Kunstgebäude hinauf. Vor den blauen Türen durchfuhr mich ein stechender Schmerz, und ich blieb stehen.
Zum ersten Mal seit Monaten wartete Tristan nicht hier auf mich.
Ich zwang mich, weiterzugehen. Meine Schritte waren unsicher. Ich schluckte schwer und kramte in der Tasche nach dem richtigen Schlüssel.
Eigentlich sollte es anders sein, klagte eine Stimme in meinem Unterbewusstsein. Er sollte hier an der Tür lehnen, so perfekt wie ein Model, und schon darauf warten, dass er mir meinen Thermosbecher mit Nannas frisch gebrühtem Tee abnehmen konnte, während ich kaum klar denken konnte.
Aber ich hatte Nannas Tee nicht dabei. Und ich war allein.
Im Eingangsbereich blieb ich stehen. Ich spürte richtig, dass ich der einzige Mensch in diesem dunklen großen Gebäude war. Ich runzelte die Stirn. Bevor Tristan aufgetaucht war, hatte mir das nichts ausgemacht. Ich war hier öfter gewesen, als ich zählen konnte, und war nie einsam gewesen.
Nun musste ich mich wieder daran gewöhnen, allein zu sein.
Ich trottete durch die Eingangshalle, legte alle vier Lichtschalter mit einer Handbewegung um und ging die Stufen hinauf. Im dämmrigen Treppenhaus hallten meine Schritte wider, und die Echos flüsterten mir zu: „Allein. Allein. Allein.“
Ich biss die Zähne zusammen, öffnete die Tür zum Flur und betrat die stockdunkle dritte Etage. Hinter mir knallte die Tür zu, und ich spannte die Schultern an.
Als ich weiterging, gewöhnten sich meine Augen schnell an die Dunkelheit. Ich schloss die Türen zum Tanzraum auf und schaltete das Licht an. Vor mir lag der nächste Tatort. Hier drüben bei der Stereoanlage hatten Tristan und ich bei unserer ersten Verabredung auf dem Boden gesessen und uns eine Pizza geteilt. Danach hatten wir getanzt. Erst einen albernen Walzer, mit dem er mich zum Lachen brachte, dann ganz langsam, bis ich dahinschmolz und wir uns zum ersten Mal seit der vierten Klasse küssten.
Und hier hatte ich ihm auch zum ersten Mal Energie entzogen, ohne es zu wissen.
Schluss jetzt. Ich schüttelte die lähmenden Erinnerungen und Schuldgefühle ab. Ich hatte zu tun.
Ein vertrauter Schmerz breitete sich in Bauch und Brust aus, und dieses Mal wurde er nicht von Erinnerungen ausgelöst. Oh nein.Nur ein einziger Mensch weckte dieses Gefühl in mir.
Ich war nicht mehr allein.
Erschrocken drehte ich mich um. „Tristan!“
Er hatte sich im Flur mit einer Schulter gegen die Wand gelehnt und die Arme verschränkt. Seine Augen schimmerten dunkelgrün wie ein tiefer Kiefernwald. „Guten Morgen, Savannah.“
Ich schluckte. Eigentlich dürfte mein Herz nicht einen solchen Satz machen, wenn ich hörte, wie diese tiefe, klangvolle Stimme meinen Namen sagte. Und ich dürfte mich nicht so danach sehnen, sofort zu ihm zu laufen.
„Wir müssen reden.“ Seine sanfte Stimme fühlte sich an, als würde er mir mit den Fingerspitzen über die Wangen streichen.
Es kostete mich Mühe, zur Bürotür der Charmers-Direktorin zu gehen. Deine Arbeit. Konzentrier dich auf deine Arbeit .
Möglichst gelassen fragte ich: „Wieso bist du hier? Haben dich deine Eltern nicht …“
„Auch wenn es Gerüchte gibt, die in die Richtung gehen: Meine Eltern regieren nicht die Welt.“
Stirnrunzelnd schloss ich die Bürotür auf. Ich schaltete das Licht an und ging mit zittrigen Knien zum Schrank. „Der Clann dürfte das anders sehen.“
Ich schloss den Schrank auf und wollte den
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