Herzblut 02 - Stärker als der Tod
einem Lächeln. „Weißt du was? Ich freue mich schon richtig auf das nächste Schuljahr. Das wird ein Spaß, dir Respekt vor dem Clann beizubringen.“
Unwillkürlich streckte ich eine Hand aus. Ich wollte ihn packen, ihm eine knallen, irgendwas. Ich war so wütend, dass ich nicht mal richtig sehen konnte.
Lachend wich er meiner Hand aus. Dann drehte er sich um und schlenderte zurück zu seinem Auto.
Ich würde ihn umbringen. Irgendwie würde ich es schaffen. Ich würde ihm die Kehle rausreißen. Wenn er Tristan heute etwas angetan hatte … Und gerade hatte er gedroht, als Nächstes Anne zu verletzen.
Irgendwo weit weg bekam ich mit, dass jemand meinen Namen sagte und mein Handgelenk umschloss.
„Savannah! Du machst noch den Gurt kaputt!“
Blinzelnd wandte ich mich der Stimme zu. Anne saß neben mir, biss sich auf die Unterlippe und versuchte, meine Hände vom Schloss des Sicherheitsgurtes wegzuziehen.
„Holla! Seit wann kannst du denn so wütend werden? Ich dachte immer, ich wäre diejenige von uns, die ein Antiaggressionstraining brauchen könnte“, meinte sie grinsend.
Ich starrte sie an. „Hat er gerade gesagt, dass er Tristans Unfall verursacht hat, oder habe ich mir das eingebildet?“
Ihr Lächeln verschwand. „Ich glaube, er hat dich nur verarscht. Der ist doch einfach ein Großmaul. Er ist so blöd, dass er sich bei einem Mordversuch eher selbst umbringen würde. Meinst du, der weiß überhaupt, wo bei einem Auto die Bremsleitungen sind?Wahrscheinlich würde er es schaffen, sich bei der Suche selbst zu überfahren.“
„Aber er hat dir gedroht“, widersprach ich. „Wenigstens das hast du doch auch gehört, oder?“
Sie verdrehte die Augen. „Ach bitte. Große Klappe, nichts dahinter. Und wenn er doch was versuchen will, schieß ich ihn einfach mit meinem neuen Bogen ab.“
Hatte ich richtig gehört? „Mit deinem neuen Bogen?“
„Ja. Mein Opa hat mir für die Truthahnsaison den neuesten Firestorm-Compound-Bogen geschickt. Ich kann’s kaum erwarten, ihn auszuprobieren.“
„Seit wann kennst du dich denn mit Bogenschießen aus?“
„Seit ich fünf bin. Liegt in der Familie. Mein Opa hat eine Bogenfabrik. Weißt du nicht mehr? Das habe ich doch schon tausendmal erzählt.“
Ich erinnerte mich verschwommen daran, dass sie in der Mittagspause gern eklige Geschichten davon erzählt hatte, wie sie jedes Jahr im November mit ihrem Onkel auf die Hirschjagd ging. Und dass man sich dabei mit Hirschurin einsprühen musste. Aber ich konnte mich nicht erinnern, dass sie mal gesagt hätte, welche Waffe sie benutzte. „Ich wusste, dass du gern jagen gehst, aber nicht, dass du Pfeil und Bogen benutzt. Ist das nicht ziemlich … altmodisch? Wieso nimmst du nicht einfach eine Pistole?“
Sie holte ganz tief Luft. „Mein Gott. Versprich mir, dass du nie wieder so was sagst. Erstens geht niemand mit einer Pistole jagen. Mit Pistolen jagt man höchstens Menschen. Tiere jagt man mit Gewehren. Und zweitens würde mir mein Opa das Fell über die Ohren ziehen, wenn ich mit etwas anderem als einem CompoundBogen aus seiner Fabrik jagen würde. Außerdem machen Bogen viel mehr Spaß als Gewehre, und es ist damit sehr viel schwerer, sich selbst zu treffen.“ Sie runzelte die Stirn. „Wobei sich ein echter Volltrottel wahrscheinlich sogar in den Fuß schießen könnte. Oder wenn man richtig Pech hat, könnte ein Pfeil zersplittern und einem die Hand durchbohren. Und natürlich braucht man die richtige Technik, damit die Sehne nicht abspringt und man sich nicht am Arm verletzt oder ein Auge ausschlägt oder so was …“
Bevor sie sich richtig in Fahrt reden konnte, warf ich ein: „Stellt dein Großvater schon lange Bogen her?“
„Ja, seit fast vierzig Jahren. Willst du Fotos sehen?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, beugte sie sich vor, öffnete das Handschuhfach und kramte einen Katalog hervor. Sie tippte mit dem Finger auf eine Seite. „Das ist mein neuer Firestorm. Klasse, oder? Aber meiner ist schwarz. Ich werde ihn die Schwarze Witwe nennen. Ich kann es kaum erwarten, damit nachts Wildschweine zu jagen.“
Das war doch nicht ihr Ernst. „Äh … Wildschweine?“
Sie riss die Augen auf und nickte hektisch. „Diese Viecher verbreiten sich wie die Pest. Sie sind echt gefährlich, deshalb darf man sie das ganze Jahr über ohne Jagdschein jagen. Onkel Danny und ich waren dieses Jahr schon ein paarmal unterwegs, vor allem, um den Bestand abzuschätzen. Beim ersten Mal wären wir fast
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