Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
loszuheulen.
Ganz in Gedanken, bemerkte ich nur am Rande, dass ich eine Gänsehaut bekam. Wahrscheinlich ein Warnsignal, dass ich nichtzu sehr zur Eisprinzessin werden sollte.
„Sagt mal, solltet ihr eigentlich über solche Sachen reden?“ Jetzt knurrte Tristan tatsächlich.
„Oh, du hast recht“, flüsterte Hope. „Daran habe ich nicht gedacht.“
„Du denkst nie“, grummelte er.
Schöne Retourkutsche. Ich fühlte mich fast schon besser. Aber nicht ganz. Meine innere Kälte war noch nicht zufriedengestellt. Sie wollte Rache. Die eiskalte Wut wuchs an und strömte wie Gift durch meinen Körper, bis sich meine Muskeln verkrampften. Au, autsch. Das tat ja richtig weh.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Tristan mir stirnrunzelnd einen Blick zuwarf.
Beim ersten Gedanken an ihn drängte sich ein anderes Gefühl vor, ein reines, endloses Verlangen, das alles andere aus meinem Kopf vertrieb. Verlangen nach ihm. Es war mehr als ein Wunsch, sogar mehr als die Sehnsucht, die ich sonst immer in seiner Nähe empfand. Als hätte ich tagelang in der Wüste festgesessen und wäre über einen Krug mit eiskaltem Wasser gestolpert. Ich gierte nach ihm. Mein Körper schrie mir zu, ich würde mich viel besser fühlen, wenn ich mich einfach über den Gang beugte und ihn …
Oh nein. War das der Blutdurst, vor dem mich meine Familie gewarnt hatte?
Ich musste hier raus. Sofort!
Mühsam stand ich auf und taumelte nach vorn zum Lehrerpult. Aber Mr Smythe war nicht da.
Ich ging weiter, jetzt Richtung Tür. Als ich es draußen ein paar Meter weit geschafft hatte, kam mir der Lehrer entgegen.
Ich keuchte das Erste, was mir in den Sinn kam. „Mir kommt’s gleich hoch.“
„Müssen Sie zur Schulschwester, oder …“
„Nein. Klo. Komme gleich wieder.“ Ich lief weiter bis zur nächsten Mädchentoilette, den Hügel rauf und links um die Ecke.
Eigentlich war mir nicht wirklich übel. Ich war nur … durstig oder hungrig oder so was. Als wäre mein Körper mir fremd geworden, als wäre ich in ihm gefangen und wüsste nicht mehr,wie ich mit ihm kommunizieren sollte. Ich wusste nicht, was er brauchte. Zumindest war ich einigermaßen sicher, dass es kein Blut war. Hoffentlich.
Ich lehnte mich gegen das Waschbecken, das mir im Vergleich zu meinem Körper warm vorkam. Ganz bewusst atmete ich ruhiger und tiefer durch. Schön, zumindest das hatte ich noch unter Kontrolle.
Dann blickte ich in den Spiegel. Meine Augen hatten sich fast weiß gefärbt. So hatte ich sie noch nie gesehen. Sie kamen mir nicht mal mehr wie meine Augen vor.
Ich schloss sie und beruhigte mich. Dabei fiel mir auf, dass meine Finger eiskalt waren. Ich drehte das heiße Wasser auf und hielt die Hände unter den Hahn, bis ich die Finger wieder spüren konnte. Die Wärme fühlte sich so gut an, dass ich meine Ärmel hochschob und mir das Wasser auch über die Unterarme laufen ließ. Nach und nach verschwand die Kälte aus meinem Körper. Ich fühlte mich erschöpft, aber zum Glück wieder normal.
Ich musste wirklich lernen, meine Gefühle in den Griff zu kriegen. Das war doch lächerlich.
Als ich in die Klasse zurückkehrte, fingen die Zickenzwillinge wieder an zu kichern. Gleichzeitig breitete sich der vertraute Schmerz, den ich immer in Tristans Nähe empfand, wie ein erneuter Krampf in Brust und Magen aus.
„Ruhig, meine Damen“, sagte Mr Smythe.
Die Zwillinge wurden still.
Ohne sie zu beachten, ging ich zu meinem Platz und versuchte, mich auf den Unterricht zu konzentrieren.
Aber tief im Innern spürte ich diese fremde Kälte darauf lauern, dass ich wieder die Kontrolle verlor.
Tristan
Vielleicht versteckte Savannah eine ernste Krankheit.
Sie war heute wie der Blitz aus der Klasse gerannt und erst eine halbe Stunde später zurückgekommen, kreidebleich und zitternd.Danach hatte sie auch nicht mitgeschrieben, wie sie es sonst immer tat.
Außerdem hatte ich noch keine gute Erklärung dafür gehört, dass sie im Frühjahr so krank gewesen war. Vielleicht hatte sie es aus gesundheitlichen Gründen nicht geschafft, Tänzerin bei den Charmers zu werden. Aber auch das erklärte noch nicht, warum sie mich heute Nachmittag nicht in der Nähe des Tanzraums haben wollte.
Der restliche Schultag zog sich wie Kaugummi, aber irgendwann klingelte es endlich nach der letzten Stunde. Um Savannah genug Vorsprung zu geben, wartete ich ein paar Minuten an meinem Spind. Danach folgte ich ihr zum Tanzraum und schlich so leise wie möglich die Treppe im Sport- und
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