Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
einpacken.“
„Warum holst du sie nicht jetzt, wenn du schon hier bist?“
Sie machte den Schrank zu und schloss die Tür ab. „Weil ich heute Nachmittag sowieso noch mal herkommen muss.“
„Ich dachte, vor einem Spiel findet nachmittags kein Training statt.“
„Stimmt auch. Aber ich muss vor dem Spiel die Wichtelgeschenke ins Auto packen.“ Sie deutete auf den Tanzraum.
Ich warf einen Blick durch die Tür. An der hinteren Wand gegenüber den Spiegeln zog sich ein niedriger Schrank entlang. Die Oberfläche war mit blau-goldenen Geschenken in allen Größen und Formen bedeckt. Ich stieß einen leisen Pfiff aus. Das war mal ein anständiger Geschenkestapel! Bei vierzig Mädchen im Team würde Savannah mehrmals laufen müssen, auch wenn sie die Geschenke in große Kartons packte.
„Helfen dir normalerweise die anderen Betreuerinnen?“
„Nein. Aber die Sachen sind nicht schwer, und Treppensteigen hält fit.“
„Genau, als hättest du das nötig. Na gut, dann bis heute Nachmittag.“
„Nein!“ Nackte Panik sprach aus ihrer Stimme und ihrem Gesichtsausdruck.
Ich sah sie fragend an.
„Ist schon gut, wollte ich sagen. Du musst wirklich nicht helfen. Wir sehen uns beim Spiel, okay?“
Sie war rot geworden und konnte mir nicht ins Gesicht sehen. Sie verbarg etwas, da war ich mir ganz sicher.
Ich musste wohl nach der Schule noch mal in den Tanzraum kommen und sehen, was sie vorhatte.
Savannah
Ich dachte immer noch, je öfter ich Tristan beim Training der Charmers sah, desto besser könnte ich ihn im Geschichtsunterricht ignorieren. Aber die Einzigen, bei denen mir das wirklich gelang, waren Dylan und die Zickenzwillinge. Die drei konnte ich im Unterricht so gut ausblenden, dass die Zwillinge offenbar glaubten, ich sei taub geworden. Ziemlich witzig, zumal ich hörte wie ein Luchs und mein Gehör mit jedem Monat schärfer wurde. Zum Glück hatte Dylan beschlossen, das Mobbing für eine Weile den Mädchen zu überlassen.
Leider hielt meine vorgetäuschte Taubheit die Zwillinge nicht davon ab, mich vor jeder Geschichtsstunde mit immer lauteren Sprüchen zu provozieren.
Heute ging es bei ihnen darum, wen in der Schule sie bei einer Schießerei decken würden. Meiner Meinung nach eine blöde Frage, aber die Zwillinge hielten das Thema für tiefsinnig und lohnend.
„He, Tristan“, meinte Vanessa. „Vor wen würdest du dich werfen?“
„Och, wahrscheinlich vor jeden hier“, antwortete er, ohne sich umzudrehen.
Braver Tristan. Lächelnd tat ich so, als würde ich ein Buch für den Englischunterricht lesen, während ich hoffte, dass Mr Smythesich mal beeilen würde.
„Aber doch nicht vor jeden“, beschwerte sich Vanessa. „Für einen Freak würdest du dich doch wohl nicht opfern, oder?“
„Wen meinst du?“ In Tristans Stimme hatte sich ein warnender Unterton geschlichen. Fast klang er, als würde er knurren.
„Na, zum Beispiel das Monsterauge da drüben“, flüsterte Vanessa laut.
Drei Mal durfte man raten, wen sie wohl meinte. Ich musste mich beherrschen, um nicht laut zu lachen. Die Zickenzwillinge waren genauso durchschaubar wie jämmerlich. Sie wollten mich einfach nur wütend machen. Aber sie versuchten es immer wieder mit den gleichen Mitteln und wunderten sich dann noch, dass es mich nicht mehr kratzte, wenn sie mich einen Freak nannten. Ich blätterte eine Seite um und las weiter, ganz sicher, dass meine Eisprinzessinnenmaske heute keinen Sprung bekommen würde.
„Klar“, antwortete Tristan. „Warum sollte ich mich nicht vor sie werfen?“
„Weil sie ständig Jungs mit scheußlichen Liebeszaubern verhext.“ Hope machte sich gar nicht erst die Mühe, so zu tun, als würde sie flüstern. „Wahrscheinlich, weil sie so hässlich ist. Sonst würde sie doch keiner angucken.“
Die Zwillinge brachen in schrilles Gekicher aus.
Das ging zu weit, sogar für sie. Vor Wut wurde mir heiß, und meine Augen brannten. Oh nein, auf keinen Fall würde ich weinen. Sofort stellte ich mir vor, wie sich die Wut in meinen Adern in Eiswasser verwandelte. Eisprinzessin, erinnerte ich mich. Du bist von Eis umgeben, sie können dir nichts. Mein Herzschlag verlangsamte sich, und ich spürte, wie sich die Kälte bis in mein Gesicht ausbreitete.
Manchmal, so wie jetzt, erschreckte es mich fast, wie gut ich diese Gefühlskälte heraufbeschwören konnte. Das kam bestimmt von meiner Vampirhälfte. Damit fühlte ich mich sogar wie eine Vampirin. Aber es war auf jeden Fall besser, als in der Klasse
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