Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
Hattest du keine Angst, weil er ein Vampir ist?“
Zu meiner Überraschung lachte sie. „Warum bricht überhaupt jemand Regeln? Ich fand sie dumm. Als Kind habe ich reihenweise Geschichten darüber gehört, wie schlimm Vampire doch sind. Als ich deinen Vater kennengelernt habe, war er das genaue Gegenteil von allem, was ich erwartet hatte. Er war freundlich und witzig und charmant. Er hat mich zum Lachen gebracht. Und es hatte natürlich auch etwas Geheimnisvolles, weil ich seine Gedanken nicht lesen konnte. Bei ihm fand ich Ruhe und Frieden, eine Pause von dem ständigen Geplapper der anderen. Ich dachte, der Clann hätte nur ungerechte Vorurteile gegen die Vampire, vor allem, nachdemich mich in deinen Vater verliebt hatte.“
„Konntest du seine Gedanken überhaupt nicht lesen?“
„Nein. Und was war das für ein Segen! Weißt du, wir Hexen können die Gedanken von anderen Hexen und von Menschen lesen. Genau wie Vampire es bei anderen Vampiren und Menschen können. Aber Hexen und Vampire wissen voneinander nicht, was sie denken. Wahrscheinlich hat sich das als ein Sicherheitsmechanismus entwickelt, nachdem wir uns jahrhundertelang bekämpft haben.“
Der nächste Gedanke verschlug mir fast den Atem. „Heißt das … du und Nanna könnt meine Gedanken lesen?“ Schon die Frage ließ mein Herz wie verrückt rasen. Ich ballte die Fäuste unter dem Tisch, damit Mom nicht sah, wie sie zitterten.
„Nein, können wir nicht. Wenn ich versuche, deine Gedanken zu lesen, ist es wie bei deinem Vater. Als würde man gegen eine Mauer laufen. Sogar der mächtigen Hexe Nanna geht das nicht anders.“
„Heißt das, dass ich mich auf jeden Fall in eine Vampirin verwandle?“
„Nicht unbedingt. Vielleicht hast du einfach ein paar Vampirgene. Auch dein Vater konnte deine Gedanken nicht lesen, als ihr euch das letzte Mal gesehen habt. Wer weiß, vielleicht wirst du durch die Mischung gegen die Fähigkeiten beider Seiten immun.“
Zumindest konnte ich es hoffen. Sonst wüssten sie im Handumdrehen über Tristan und meine Gefühle für ihn Bescheid. „Warum habt ihr euch überhaupt getrennt, wenn es mit Dad so friedlich war und ihr verliebt wart?“
Seufzend lehnte sie sich zurück. Das nahm mir die Anspannung, und ich griff schon wieder nach einem Stück Pizza. „Weil ich erwachsen geworden bin und es irgendwann nicht mehr so aufregend war, die Regeln zu brechen. Besonders nach deiner Geburt. Hexen und Vampire gibt es auf der ganzen Welt, und die Vorstellung, uns mit einem Baby ständig vor ihnen verstecken zu müssen, wurde einfach zu viel. Wir stritten immer öfter. Erst über Kleinigkeiten, später über wichtige Dinge, bis ich irgendwann dachte, es lohnt sich nicht mehr. Da haben wir beide eingesehen, dass esvorbei war. Am Anfang ist es ein Abenteuer, gegen den Strom zu schwimmen. Aber irgendwann ist man erschöpft. Der Fluss gewinnt immer.“
Ihre Worte oder vielleicht ihr sanfter Ton schmerzten, als würde plötzlich ein schweres Gewicht auf meiner Brust lasten. Mir brannten die Augen, und ich musste Tränen wegblinzeln.
„Ach, Schatz, sei nicht traurig.“ Sie beugte sich vor und legte ihre Hände auf meine. „Ich hatte auch schöne Zeiten mit deinem Vater. Und ich habe dadurch dich bekommen. Was will ich mehr?“ Sie lächelte mich an.
Dabei war ich gar nicht wegen ihr traurig, sondern wegen Tristan und mir. Tristan wollte von mir das Gleiche, was mein Vater von meiner Mutter gewollt hatte – ich sollte gegen den Strom schwimmen. Die Regeln brechen. Mich auf ein Abenteuer einlassen.
Nur hatte ich das Gefühl, Mom könnte recht haben. Wie sollten wir gegen den Vampirrat und den Clann gewinnen, wenn sie herausfanden, was zwischen uns lief?
Der Fluss gewinnt immer …
Aber nicht mal das änderte etwas daran, wie sehr ich ihn wollte.
„Gehst du mit mir essen?“
Tristan stellte dieselbe Frage jeden Tag, morgens und nachmittags, während des Trainings. Eigentlich hätte es mit der Zeit leichter werden müssen, Nein zu sagen. Aber es wurde und wurde nicht leichter, gegen meine Gefühle für ihn anzukämpfen.
Vielleicht weil ich das insgeheim gar nicht wollte.
Nachdem er das Spielchen fast eine ganze Woche lang durchgezogen hatte, hatte ich Angst, wirklich bald wahnsinnig zu werden. Vier Tage lang musste ich sagen: Nein, ich kann mich nicht mit dir verabreden, und das zwei Mal am Tag, obwohl ich jedes Mal nur laut Jaaa! schreien wollte. Freitagmorgen wurde es mir zu viel. Ich brauchte eine Pause. Er
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