Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
Gedanken in meinem Kopf zu ordnen. So vieles veränderte sich. Auf jeden Fall war es beruhigend zu wissen, dass ich nicht allein hier war, sondern jemand an meiner Seite stand. Aber mein größtes Problem war damit noch nicht gelöst. Wie konnte ich – konnten wir – den Rat davon überzeugen, dass ich keine Bedrohung für ihn darstellte? Und was würde geschehen, wenn es uns nicht gelang?
„Dad, darfst du mir immer noch die Wahrheit sagen?“
„Wenn ich es nicht kann, darf ich dir einfach keine Antwort geben.“
Das würde genügen müssen. „Wie schlimm ist meine Lage?“
„Vor deiner Geburt konnte ich den Rat davon überzeugen, dass es besser ist, dich leben zu lassen und von dir zu lernen. Er hat zugestimmt, aber nur unter der Bedingung, dass du nicht zaubern lernst, dich vom Clann fernhältst und keinen Blutdurst entwickelst. Du warst keine akute Bedrohung.“
Aber jetzt war ich das.
Damals hatte der Rat mich leben lassen. Jetzt würde er sich vielleicht anders entscheiden.
Mein Mund wurde trocken, und ich suchte verzweifelt nach einem anderen Thema. „Du, ähm, hast mir noch gar nicht gesagt, woher Vampire wie du … wie wir … kommen.“
Er seufzte. „Es gibt viele verschiedene Theorien darüber, wie wir entstanden sind. Bei uns Vampiren ist es nicht Tradition, die eigene Geschichte zu erforschen oder zu pflegen. Aber ich habe selbst recherchiert und herausgefunden, dass wir noch vor den Nachfahren von Adam und Eva entstanden sind.“
Was?
Er erzählte mir von Lilith, Adams erster Frau, die sich gegen Gott aufgelehnt hatte. Sie wurde zu einer Dämonin und zur Mutter aller Vampire. Außerdem brachte sie kleine Kinder um und verführte Männer im Schlaf.
Mir fiel ein, wie oft ich Tristan in unseren gemeinsamen Träumengeküsst und ihm Energie und Lebenskraft entzogen hatte, ohne es zu ahnen. Ich zuckte zusammen. „Diese Lilith klingt ja wie ein echtes Vorbild für Frauen. Ist sie irgendwann gestorben?“
„Nein. Sie lebt noch und schläft tief unter der Wüste, irgendwo im Reich der alten Sumerer. Dort wartet sie auf den Tag, an dem sie sich endlich an Gott rächen kann.“
Tja, seine Familie konnte man sich wirklich nicht aussuchen. „Wow. Ich hätte lieber nicht fragen sollen.“ Mein Magen verkrampfte sich, wie ich es noch nie erlebt hatte, und durch meinen Kopf wirbelten viel zu viele Informationen. Ich hätte auch gut damit leben können, nie von meiner Verbindung zu Lilith zu erfahren.
Immerhin bei einer Sache war ich mir jetzt aber sicher … ich war meinem Vater doch wichtig.
Kichernd schlug er seine Zeitung auf. „Du siehst müde aus. Es dauert noch ein paar Stunden, bis wir ankommen. Schlaf doch ein bisschen.“
Ich nickte, kippte meinen Stuhl zurück und versuchte, mich zu entspannen.
Als ich wach wurde, war es im Flugzeug dunkel, nur über meinem Vater brannte eine Leselampe. Er schloss die Zeitung, faltete sie zusammen und schaltete das Deckenlicht ein. „Gut, du bist wach. Wir landen bald.“
Sofort fing mein Herz an zu rasen. Bald würde ich die Kontrollfreaks treffen, die über ein ganzes Meer hinweg mein Leben verpfuschten. Ich wünschte, sie wären nicht nur auf einem anderen Kontinent, sondern auf einem anderen Planeten.
Und ich wünschte, Tristan wäre bei mir. Oder ich wüsste wenigstens, dass er in Sicherheit war.
Das Flugzeug hielt am abgelegensten Hangar des Flughafens. Ein paar Meter entfernt wartete ein Auto mit dunkel getönten Scheiben auf uns. Als wir auf dem Rücksitz Platz genommen hatten, hielt Dad einen langen schwarzen Satinschal hoch. Eine Augenbinde. „Es tut mir leid, aber der Rat besteht darauf, zu seiner eigenen Sicherheit.“
„Hm, in Ordnung.“ Ich hielt den Kopf still, während er mir die Augenbinde anlegte und überprüfte, ob sie richtig saß, damit ich nicht unter den Rändern hindurchsehen konnte.
„Solange du die Augenbinde nicht berührst, muss ich deine Hände nicht fesseln.“
Der Wagen fuhr sanft an. Na toll. Ich war zum ersten Mal in Paris und würde nichts davon sehen. Nicht mal den Eiffelturm.
Mir kam es vor, als bögen wir oft ab, jedenfalls öfter, als es bei einer halbstündigen Fahrt nötig gewesen wäre. Vielleicht wollten sie mich verwirren. Die Mühe hätten sie sich sparen können. Ich würde mich sogar mit Karte und Kompass verlaufen.
Dann hielt der Wagen an.
Dad stieg zuerst aus. Dann nahm er meinen Arm, um mir aus dem Auto zu helfen und mich weiterzuführen. Kurz spürte ich eine Brise auf den Härchen an
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