Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
grundsätzlich keine Lust auf einen Tanzabend?
Egal. Ich würde ihn einfach so beeindrucken müssen, dass sich der Besuch für ihn lohnte.
Zwei Tage später stand ich mit meinem Ballettkurs in den dunklen Theaterkulissen des Lon Morris Colleges. Endlich war der Abend gekommen, für den ich das ganze Jahr so hart gearbeitet hatte. Jetzt konnte ich beweisen, dass es nicht ein riesiger Fehler von meinen Eltern gewesen war, mich zu bekommen.
Gerade beendeten die Dreijährigen ihre niedliche Version vom Tanz der Zuckerfee aus dem Nussknacker . Als ich mich daran erinnerte, wie Tristan die Melodie gepfiffen hatte, musste ich lächeln, und meine Augen brannten ein wenig. Blinzelnd vertrieb ich dieses unerwartete Gefühl. Ich sollte lieber an etwas anderes denken. Zum Beispiel an die Menschen, die im Publikum darauf warteten, mich tanzen zu sehen.
Meine Freundinnen konnten zu der Aufführung nicht kommen. Morgen wurde die Volleyballmannschaft ausgesucht, und sie mussten heute Abend trainieren. Außerdem wollten ihre Eltern, dass sie früh schlafen gingen, damit sie morgen ausgeruht waren. Es ärgerte mich, aber trotzdem versuchte ich, ihre Sichtweise zu verstehen. Für sie war Volleyball das Wichtigste, genau wie für mich jetzt das Tanzen. Also hatte ich mir mal wieder ein falsches Lächeln abgerungen und ihnen viel Glück gewünscht.
Dafür saßen irgendwo in den dunklen Reihen drei Menschen und warteten darauf, mir zuzujubeln. Hoffentlich würde ich es nicht vermasseln und sie schon wieder enttäuschen.
Während die Scheinwerfer heruntergedimmt wurden und das Publikum höflich klatschte, scheuchten ein paar Mütter, die sich als Bühnenhelferinnen zur Verfügung gestellt hatten, die kichernden Mädchen hinter die Kulissen.
Es war so weit.
Entschlossen und gleichzeitig atemlos vor Nervosität, betrat ich mit meinen Mitschülerinnen die dunkle Bühne. Im Publikum breitete sich Ruhe aus. Mein Herz hämmerte gegen die Rippen. Ich fand meine Anfangsposition und stellte mich auf. Die Zuschauer waren nur ein paar Meter entfernt. Sie setzten sich auf ihren knarrenden Stühlen zurecht, husteten und tuschelten ab und zu.
Die Klaviermusik vom Band setzte ein, viel lauter als im Tanzraum. Hätte mich die Kostümprobe am Abend zuvor nicht vorgewarnt,hätte ich vor Schreck einen Satz gemacht.
Die Scheinwerfer leuchteten langsam auf und tauchten mich und meine Mitschülerinnen in sanftes blaues Licht, während wir geschmeidig zu tanzen begannen. Ich wusste, dass ich tanzte, aber das Adrenalin ließ den Augenblick unwirklich erscheinen. Er kam mir vor wie ein Traum. Von allem losgelöst drehte ich mich und sprang, während die Musik immer schneller auf ihren Höhepunkt zusteuerte.
Dann nahm das Tempo ab, bis die Musik leise verklang. Ich streckte mich nach dem Licht, ganz gefangen von der Musik und dem Augenblick. Und dann blinzelte ich, und es war vorbei. Ich stand in der letzten Pose da und strahlte, dass meine Wangen schmerzten, während die Zuschauer lauter klatschten und jubelten, als es die Höflichkeit verlangt hätte. Je mehr sie applaudierten, desto schneller rauschte das Blut durch meine Adern, bis ich das Gefühl hatte, ich könnte hochspringen und auf dem Klang wie auf einer starken Windböe davonschweben.
Oh. So fühlten sich die Charmers also bei ihren Auftritten. Und sie durften das immer wieder erleben.
Danach hätte ich wirklich süchtig werden können.
Wir gingen in einer geraden Linie nach vorn an den Bühnenrand, um uns zu verbeugen. Dabei blickte ich ins Publikum und erkannte mit zusammengekniffenen Augen Nanna und Mom hinter den Bühnenlichtern. Und Dad, der gerade zum Ausgang lief.
Er ging jetzt schon? Ich sollte noch mit einer Jazztanznummer auftreten.
Ich hatte einen Kloß im Hals und konnte kaum noch atmen. Nach dem Knicks folgte ich den anderen Tänzerinnen unbeholfen und steif von der Bühne. In den dunklen Kulissen lief ich sofort los, den Flur entlang, vorbei an Requisiten, Müttern und Tänzerinnen. Wusste Dad nicht, dass ich heute Abend zwei Mal auftrat, nicht nur ein Mal? Ich musste ihn einholen und aufhalten, bevor er gehen konnte.
Draußen goss es in Strömen. Ich hörte den Regen auf die Betonstufen vor der Tür prasseln, als ich die Eingangshalle erreichte. Die Glastür fiel hinter ihm zu.
Ich stieß sie wieder auf. „Dad! Warte!“ Konnte er mich bei demstarken Regen überhaupt hören? Ach, natürlich. Als Vampir hatte er das gleiche Supergehör wie ich.
Trotz des Wetters hatte er
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