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Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)

Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)

Titel: Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Darnell
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ich seine magnetische Anziehungskraft nicht einmal spüren, wenn ich meine Wahrnehmung für alles öffnete. Und seit er seine Füße unter seinen eigenen Tisch stellte, fehlte es mir, dass er seine Beine links und rechts von mir ausstreckte. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Mir fehlte auch, dass er Melodien aus dem Nussknacker pfiff, um mich aufzuziehen. Und dass er mich in der Cafeteria anstarrte. In letzter Zeit ließ er das Mittagessen ausfallen und lehnte sich lieber an einen Baum in der Nähe der Picknicktische. Ich ertappte mich dabei, wie ich an seinem neuen Platz nach ihm Ausschauhielt, wenn ich mit meinen Freundinnen die Cafeteria verließ. Meine verrückte Seite wollte ihm zu gern in die Augen sehen und ausprobieren, ob er danach auch benommen wäre. Aber er hielt die Augen immer geschlossen. Mein Kopf sagte mir, dass das gut so war. Aber mein Herz sagte etwas anderes.
    Tausend weitere Kleinigkeiten ließen die Stunden in der Schule lang und einsam werden. Meine Freundinnen waren mir geblieben, aber weil ich niemanden direkt ansehen konnte, fühlte ich mich wie abgeschnitten von der Welt. Noch seltsamer war die Schneise, die sich mir auf dem Flur öffnete. Es war nicht auffällig, aber die Leute wichen mir aus, als hätte ich etwas Ansteckendes. Am schlimmsten war, dass sie selbst es nicht einmal zu bemerken schienen.
    Aber wieso? Ich fühlte mich gar nicht großartig anders als vor meiner Krankheit.
    Das einzige Licht am Horizont waren meine Fortschritte beim Tanzen. Seit ich darin so viel besser geworden war, war es mein einziges Ventil. Sobald die Musik einsetzte, verlor ich mich in ihr. Ein paar kostbare Minuten lang konnte ich den ganzen Wahnsinn vergessen: die Familiengeheimnisse, diese seltsamen Dinge, die mich anders machten. Wenn ich tanzte, war ich kein Freak mehr, für den man sich schämen musste; ich konnte tatsächlich etwas. Und ich wurde jeden Tag besser.
    Also war es nur logisch, dass ich mich für die Charmers-Tanzgruppe bewerben wollte. Wo hätte ich an dieser Schule sonst dazugehören können, wenn nicht zu den anderen Tänzerinnen? Als Charmer würde ich kein Freak mehr sein. Die Mitglieder waren kleine Berühmtheiten, weil sie in jedem Winter bei Wettbewerben Preise gewannen. Und das nicht nur an unserer Schule, sondern in ganz Jacksonville. Wenn sie mit einer neuen Trophäe nach Hause kamen, landeten sie auf dem Titelblatt der Jacksonville Daily News und ernteten von der Schule und der ganzen Stadt Anerkennung.
    Falls ich es in die Gruppe schaffte, würde ich das miterleben und außerdem etwas machen, das ich gerne tat.
    Vorher musste ich allerdings die Anerkennung von jemand anderem gewinnen – von Dad. Wenn es nicht mit dem Tanzen klappte, wusste ich nicht, wie ich es sonst noch schaffen sollte.
    Deshalb ging ich das größte Risiko meines Lebens ein, als er am Mittwoch anrief, um von mir zu hören.
    Nervös spielte ich mit den Schnürsenkeln meiner Turnschuhe und versuchte, geduldig zu bleiben, während wir die üblichen Fragen über die Schule durchgingen. Als wir nach einer Weile schwiegen, sah ich meine Chance gekommen.
    „Ach, Dad? Du weißt doch, dass ich dieses Schuljahr angefangen habe zu tanzen, oder?“
    „Ja.“ Er klang vorsichtig, als würde er sich auf schlechte Neuigkeiten gefasst machen.
    Noch nervöser, zögerte ich, zwang mich, tief Luft zu holen, und stieß dann die Worte schnell hervor. „In der Schule findet an diesem Wochenende das jährliche Vortanzen statt, und ich fände es toll, wenn du kommen würdest.“ Bitte sag Ja. Bitte! wiederholte ich in Gedanken. Während der Todesstille, die nun folgte, hielt ich den Atem an.
    Warum sagte er nichts?
    „Dad?“, flüsterte ich kaum hörbar. So ein Mist. Er würde sagen: Nein, er könne nicht kommen, genau wie beim Volleyball und Basketball und den Leichtathletikwettkämpfen an der Junior Highschool …
    Er schwieg immer noch.
    Endlich sagte er: „Ich sollte mir wohl wirklich mal ansehen, wie du dich gemacht machst. Sag mir, wann und wo, und ich komme.“
    Ja! Strahlend nannte ich ihm Datum, Uhrzeit und Ort und beschrieb kurz den Weg zum Junior College, in dessen Theatersaal die Veranstaltung stattfinden sollte.
    „Wart’s ab! Nachher bist du richtig überrascht, wie gut ich geworden bin“, scherzte ich. Vor Freude war ich weniger angespannt und mehr ich selbst, als ich es sonst in Gesprächen mit ihm war.
    Schweigen.
    Okay. Traute er mir nicht zu, mich richtig einzuschätzen? Oder hatte er

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