Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
und glitt ganz nach unten. Ich streckte die Zehenspitzen, wie Kristi es uns beigebracht hatte.
Vor meiner Veränderung war ich längst nicht so gelenkig gewesen. War das nicht auch schon ein Betrug? Ein kurzer Blick in ihreAugen konnte doch nicht groß schaden. Niemand würde es je herausfinden.
Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte ich gegen die Versuchung an. Nein. Entweder würde ich es fair schaffen, wie alle anderen in der Gruppe, oder gar nicht.
Links von mir tat sich etwas. Fast hätte ich die Anweisung zum Seitspagat verpasst. Oh Mist. Ich musste mich konzentrieren.
Vielleicht war es mir doch nicht so wichtig, zu den Charmers zu gehören. Würde ich sonst nicht alles tun, um aufgenommen zu werden?
Ich stand mit den anderen auf und wartete darauf, dass die Musik für die Kicks einsetzte. Jetzt hämmerte mein Herz noch aus einem anderen Grund.
Ich wollte wirklich zu den Charmers gehören. Mehr als alles andere. Jeden Tag hatte ich zwei Mal trainiert, unzählige Stunden, um heute die Chance zu ergreifen, zu beweisen, dass ich in diese Gruppe gehörte. Ich hatte mich sogar mit meinem Vater gestritten, damit ich weitertanzen konnte, was ich früher nie gemacht hätte. Ich musste es einfach schaffen. Sonst würde ich in der Schule immer der Freak bleiben, eine Außenseiterin, für die es keinen Platz gab. Ich passte ja nicht mal zu meinen Freundinnen mit ihrer Volleyballmanie.
Aber wenn ich schummeln musste, um in die Tanzgruppe zu kommen …
Bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, war die letzte Nummer beendet. Wir nahmen wieder unsere übliche Standpose ein, und ich wusste, dass es jetzt darauf ankam. Das war meine letzte Chance, die Richter zu beeinflussen. Nur ein kurzer Blickwechsel mit zwei Männern, die ich nie wiedersehen würde. Die Wirkung würde nach einem Tag verfliegen, genau wie bei den Typen aus dem Algebrakurs. In dieser Zeit konnten sie mir eine bessere Wertung geben und mir einen Platz in der Tanzgruppe verschaffen.
Zumindest hoffte ich das.
Ich ließ den Blick über den Tisch und zu den männlichen Richtern gleiten. Sie saßen sogar nebeneinander. Das war fast schon zu einfach, zu perfekt. Mein Blick wanderte zu ihren Händen, maßden Abstand zwischen ihnen ab, sprang zu dem linken Richter über, glitt seine Schulter hinauf bis zum Kinn …
Und über ihre Köpfe hinweg zu den Zuschauerrängen hinter ihnen.
Ich konnte es nicht machen. Was, wenn die Wirkung dieses Mal nicht verflog? Beide trugen Eheringe. Könnte es sich auf ihre Familien auswirken, wenn mein Blick sie länger als ein paar Stunden beeinflusste? Auf ihre Ehen? Seit diesem katastrophalen Fehler letzten Monat hatte ich mich nicht mehr getraut, einem Mann in die Augen zu sehen. Nicht einmal, als ich Tristan hatte ansehen wollen, obwohl das falsch gewesen war. Ich wusste nicht, ob meine Kräfte inzwischen gewachsen waren. Nur, dass meine Freundinnen immer noch nach ein paar Sekunden den Blick abwandten. Und ich wollte nicht schummeln müssen, um eine Charmer zu werden.
Ich musste einfach hoffen, dass ich gut genug getanzt hatte.
„Okay, Mädels, vielen Dank“, sagte Captain Kristi. „Ihr könnt gehen.“
Es war vorbei.
Wieder in einer Reihe verließen wir die Sporthalle, dieses Mal ging ich voran. Ich hatte die Chance verpasst, die Richter zu beeinflussen. Benommen ging ich hinaus und hörte, wie die Metalltür hinter dem letzten Mädchen der Gruppe zuschlug. Dann war es still.
Wie in unsichtbare Watte gepackt, schlurfte ich die Stufen hinauf. Kein Ton drang an meine Ohren.
Neben meiner Sporttasche sackte ich zusammen. Heute hatte sich mir eine perfekte Gelegenheit geboten, ein echter Vorteil. Hatte ich das einfach weggeworfen, um das Richtige zu tun?
Eine Stunde später schickte uns die Chefbetreuerin Amber weg und erinnerte uns daran, dass abends die neuen Gruppenmitglieder bekannt gegeben wurden. Wir sollten blaue Jeans und einfache weiße T-Shirts mit unserer Nummer vom Vortanzen auf der Brust tragen.
Gedankenverloren und voller Zweifel achtete ich nicht darauf, wohin ich ging, und rempelte in der Eingangshalle jemanden an. Ich erschrak, als eiskalte Hände meine bloßen Arme packten, damitich nicht fiel. Ich murmelte eine Entschuldigung und blickte zu dem fremden Mann auf, gegen den ich gestoßen war. Er trug einen maßgeschneiderten dunkelblauen Anzug. Mit ausdrucksloser Miene ließ er mich los und ging zur Sporthalle, wo die Richter gerade die Punkte zusammenzählten. Ich blinzelte überrascht, als er
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