Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
einfach so in die Halle marschierte, als würde sie ihm gehören.
Von drinnen rief eine Frauenstimme:„Tut mir leid, aber Eltern haben hier keinen Zutritt.“
Als er weiterging, schlug die Tür hinter ihm zu und dämpfte alle weiteren Geräusche.
Erstaunlich. Offensichtlich war die Mitgliedschaft bei den Charmers eine so große Ehre, dass ein Vater versuchen wollte, die Richter zugunsten seiner Tochter zu beeinflussen.
Auf unfaire Weise, genauso wie ich es hätte versuchen sollen. Ich war so dumm. Als ich die Tür aufstieß und die Betonrampe zum Parkplatz hinunterschlurfte, schlug mir die schwüle Hitze ins Gesicht, um sich dann auf meinen restlichen Körper niederzuschlagen. Nanna wartete im Auto auf mich.
„Und, wie ist es gelaufen?“, fragte sie, als ich einstieg und mich anschnallte. In der klimatisierten Luft wurde meine verschwitzte Haut klamm.
„Keine Ahnung. Zumindest wusste ich alle Schritte noch.“ Ich hätte die beiden Richter manipulieren sollen. Schon die zwei von fünf Stimmen hätten mir einen Vorteil gegenüber den anderen Anfängerinnen verschafft.
„Dann nehmen sie dich auch, mein Schatz“, sagte sie mit einem zuversichtlichen Lächeln und fuhr los.
Ich konnte es mir nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen. „Bist du nicht ein bisschen voreingenommen?“
„Natürlich.“ Sie lachte. „Aber ich habe auch Augen im Kopf, oder?“
Was mich wieder an meine blöde Entscheidung erinnerte. „Na ja, in ein paar Stunden wissen wir Bescheid.“
„Wann müssen wir wieder hier sein?“
„Um sechs. Aber du musst nicht mit reinkommen. Wahrscheinlich dauert es nicht lange.“
Sie sah mich scharf an, und ihr Lächeln verschwand. „Soll ich mir etwa entgehen lassen, wie sie den Namen meiner Enkelin sagen? Wohl kaum.“
Mir wurde ganz warm, und ein leises Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit. „Ich glaube, sie sagen nur die Nummern, keine Namen.“
Nanna rümpfte die Nase. „Das ist das Gleiche. Ich komme mit und mache jede Menge Fotos für deine Mutter.“
Meine Mutter war wie üblich unterwegs und arbeitete.
Jetzt war nur die Frage, welcher Gedanke mir in den nächsten Stunden mehr zusetzen würde: ob sie mich aufnehmen würden, ob ich beim Vortanzen die falsche Entscheidung getroffen hatte oder ob ich mich so gut geschlagen hatte, dass die Richter sich fragten, ob ich überhaupt ein Mensch war.
Ich duschte, aß spät zu Mittag und hörte auf dem iPod Musik, um nicht nachdenken zu müssen. Es funktionierte nicht besonders gut.
Um halb sechs führte ich Nanna in dem vorgeschriebenen Outfit in die Sporthalle. Wir waren eine halbe Stunde früher gekommen, damit wir es hoffentlich vor den anderen schafften und Nanna sich in die erste Reihe setzen konnte. Mit ihren kaputten Knien konnte sie nicht die Tribüne hinaufsteigen.
Wir hätten noch früher kommen müssen.
Offenbar hatten alle dieselbe Idee gehabt. Die rechte Seite der Sporthalle war rappelvoll. Wie es aussah, hatte jedes Mädchen mindestens einen Elternteil mitgebracht. Ein paar waren mit ihrer ganzen Familie inklusive Großeltern gekommen. Und die ausfahrbare Tribüne auf der linken Seite war noch eingeklappt. Zumindest waren keine Clann-Familien da. Ob sie Cheerleading lieber mochten?
„Sieht aus, als müssten wir stehen“, sagte Nanna leise.
Wir stellten uns zu den anderen Familien, die kein Glück gehabt hatten, neben die Türen.
Und warteten.
Zum Glück war Nanna von Natur aus still. Mit Mom wäre es für uns beide peinlich geworden, weil sie pausenlos geredet hätte, wahrscheinlich über Sachen, die man, ein paar Handbreit vonFremden entfernt, lieber für sich behalten sollte.
Dafür ließ mir ihr Schweigen zu viel Zeit zum Nachdenken. Zum Grübeln, Zweifeln und Bedauern.
Gerade als ich dachte, ich würde es in meinem Kopf nicht mehr aushalten und müsste mich mit Nanna unterhalten, betrat die Direktorin der Charmers die Sporthalle.
Komisch, wie schnell alle ruhig wurden. Ganz von allein.
„Guten Abend zusammen. Ich bin Elizabeth Daniels, die Direktorin der JHS Cherokee Charmers.“ Nachdem der höfliche Applaus verklungen war, fuhr sie fort: „Da wir alle aus demselben Grund hier sind, komme ich gleich zur Sache, in Ordnung?“
Als jemand begeistert jubelte, zog Mrs Daniels lächelnd ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Tasche ihrer Leinenhose.
Sie faltete es auf und las die Nummern vor. Nach jeder musste sie eine Pause einlegen, weil Familie und Freundinnen kreischten und jubelten. Eine
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