Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
akzeptierte, dass Tristan nicht für mich bestimmt war, würden diese Träume vielleicht endlich aufhören.
Ich hätte es mir gewünscht. Nach solchen Nächten schmerzte es noch mehr, ihn in der Schule zu sehen. Nicht mehr diese Sehnsucht, dieses Ziehen in Bauch und Brust zu verspüren wäre eine echte Erleichterung.
Ich schloss die Augen, um ihn zu ignorieren. Aber nach einem Moment öffneten sie sich langsam wieder. Einen letzten Blick noch. Immerhin konnte ich ihn nur hier im Traum anstarren, ohne dass er etwas mitbekam.
Nur starrte er dieses Mal unverwandt zurück.
Vielleicht sah er nur grob in meine Richtung.
Als sich unsere Blicke trafen, riss er die Augen auf. Wie krass. Er sah mich direkt an. In meinen Träumen hatte er mich noch nie angesehen, kein einziges Mal. Aber jetzt tat er es, und …
Und ich trug nur ein T-Shirt und Unterwäsche.
Vielleicht griff mein Unterbewusstsein zu drastischeren Maßnahmen, weil ich mich meinen Träumen jetzt stellen wollte. Und verwandelte meine Träume in eine Variante des klassischen Albtraums, in dem man in Unterwäsche in der Schule stand.
Ich zog mein T-Shirt noch weiter runter. Ich hätte auch wegsehen sollen. Aber das konnte ich nicht, weil er mich mit seinen grünen Augen direkt ansah. Auch als er sich aufsetzte, blinzelte er nicht.
Natürlich musste bei ihm selbst die kleinste Bewegung elegant aussehen. Alles, was der Prinz von Jacksonville tat, war perfekt. Zumindest bekam mein Unterbewusstsein die Einzelheiten richtig hin.
Etwa wie sich sein honigblondes Haar, das nicht ganz den T-Shirt-Kragen erreichte, über den Ohren und im Nacken kräuselte. Oder wie sich die Ärmel über seinen Oberarmen spannten. Die Wange wieder an das Knie gelehnt, gab ich seufzend der Versuchung nach und starrte ihn an. Vielleicht wusste mein Unterbewusstsein doch, was ich heute brauchte.
Als er in einer einzigen fließenden Bewegung aufstand, machte mein Herz einen Sprung. Zögerlich kam er näher. Aber es gab keine Barriere, die ihn zurückhielt. Ach, ein guter Traum.
Und mit so vielen Einzelheiten. Als er direkt vor mir stand und sich unsere Zehen auf dem Rasen fast berührten, fielen mir zum ersten Mal die Venen auf seinen Handrücken auf. Er streckte eine Hand aus, als wollte er mir aufhelfen.
Ich schüttelte lachend den Kopf. Nicht mal im Traum würde ich aufstehen, solange mir mein Unterbewusstsein keine Hose gönnte.
„Dann komme ich halt zu dir runter.“ Er setzte sich vor mich hin wie mein Spiegelbild und schlang die Arme um die angezogenen Knie.
Erstaunlich. Sogar seine Stimme klang richtig. Mein Gedächtnis funktionierte wohl besser, als ich gedacht hätte. Das tiefe Brummen war perfekt getroffen. Und genau wie im echten Leben klang er, als müsste er sich Mühe geben, mich nicht auszulachen.
Allerdings saß ich ja auch in Unterwäsche vor ihm.
„Warum starrst du mich so an? Willst du nichts sagen?“, platzte es aus mir heraus. Dieser Traum wurde langsam lächerlich. Wer fantasierte denn von einem Jungen, der nur dasaß und einen ansah? Würde das nicht eher in einen Albtraum über die erste Verabredung passen? Nicht, dass ich aus eigener Erfahrung über Verabredungen hätte urteilen können, schließlich hatte ich noch nie eine gehabt.
Er zog die dichten Augenbrauen hoch. „Was soll ich denn sagen?“
„Keine Ahnung. Aber wenn das schon ein Traum ist, könnte er doch wenigstens interessant sein.“ Wo blieb nur meine Hose?
Als er kicherte, musste ich lächeln. „Du bist ja viel gesprächiger als sonst.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Das ist mein Traum. Darf ich nicht sagen, was ich denke und fühle?“
„Ich dachte, das wäre mein Traum.“
„Na toll. Sogar im Traum bist du eingebildet.“
„Eingebildet? Das sagt ja die Richtige – sitzt hier im kurzen Hemd und spielt sich auf.“
„Stimmt, eigentlich müsste ich was daran ändern können, wenn ich weiß, dass es nur ein Traum ist.“
Er grinste. „Ach, ich weiß nicht. Es steht dir gar nicht schlecht.“
„Hm, ein Kompliment. Endlich. Ich dachte, damit wärt ihr Aufreißer großzügiger.“ Ich erwiderte sein Grinsen. „Schnell, sag noch was Nettes.“ Ich grub die Zehen in das Gras. An solche Träume könnte ich mich gewöhnen.
„Wie herrisch.“
Ich musste lachen. „Etwas Nettes, habe ich gesagt.“
Jetzt lachte er auch. „Wolltest du nicht die Wahrheit hören?“
Hm, auch wieder richtig. „Doch, ehrlich gesagt fände ich jetzt eine ordentliche Prise Wahrheit ganz gut.
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