Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
nun? Seit der Sache mit seinem Vater hatte er sich manchmal dabei ertappt, wie er sich Sorgen um sich selbst machte. Aber so früh? Sein Vater war immerhin schon über achtzig, hatte den Großteil seines Lebens gelebt. Ganz im Gegensatz zu ihm. Erika brauchte ihn doch, und Markus war zwar beim Studieren, aber noch weit von einem selbständigen Leben entfernt. Kurz: Es gab noch so viel zu tun, das Feld war noch nicht bestellt.
Mit leerem Magen setzte er sich wenige Minuten später ins Auto. Er hatte am Frühstückstisch keinen Bissen herunterbekommen. Trübe Gedanken verfolgten ihn die ganze Strecke bis nach Kempten. Erst kurz vor der Polizeidienststelle beschloss er, das Radio anzuschalten, um durch ein bisschen Musik auf andere Gedanken zu kommen. Kaum hatte er den Knopf gedrückt, wurde er blass. Aus dem Lautsprecher dröhnte ein Achtziger-Jahre-Hit:
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei …
»Ist der Aufzug kaputt?« Hefele sah Kluftinger mit großen Augen an, als der gerade vom Treppenhaus in den Gang im zweiten Stock einbog, in dem ihre Büros untergebracht waren.
Kluftinger verstand nicht, was sein Kollege meinte, und wechselte das Thema: »Wo ist er?«
»Sitzt im Vernehmungszimmer. Hat schon gestanden. Wolfgang Schratt heißt er.«
»Echt?« Der Kommissar war ein wenig enttäuscht.
»Ja, ist doch gut. Keine Angst, alle wissen, dass wir ihn ohne dich nicht so schnell gekriegt hätten.«
»Darum geht’s mir doch gar nicht. Lass mich mal schauen.« Er ging zu dem Besprechungsraum neben dem Verhörzimmer. Dort saß Maier vor einem Schwarzweißmonitor, der außer einem uniformierten Polizisten auch Eugen Strobl zeigte, wie er gerade einen kleinen, bärtigen Mann in Handschellen vernahm.
»War es das bisschen Geld wirklich wert?«, hörte er Strobl fragen, doch der Tatverdächtige rührte sich nicht und schwieg.
»War der die ganze Zeit so schweigsam?«, wollte Kluftinger wissen.
Maier schüttelte nur den Kopf.
»Und du bist auch nicht gerade gesprächig heute, oder wie?« Kluftingers Kollege wirkte verstimmt.
»Wir haben ihn nur angebohrt, dann ist alles aus ihm rausgesprudelt«, beantwortete nun Hefele seine Frage. »Leugnen hätte auch wenig Sinn gehabt: Wir haben in seiner Wohnung Geldbeutel und Uhr des Ermordeten gefunden. Er hat sofort zugegeben, dass er es wegen des Geldes getan hat. Habgier. Riecht nach ner astreinen Mordanklage.«
»Aber warum hat er ihn denn dann gleich erschossen?«
Hefele zuckte die Achseln.
»Ich geh noch mal rein. Aber vorher …« Er kramte sein Handy aus der Tasche und ging damit zu Maier: »Wegen dem Anruf, der Aufzeichnung, weißt du …«
»Du brauchst ja jetzt nicht auch noch drauf rumzureiten! Kam ja sogar im Lokalfernsehen. Wirft ein tolles Licht auf die Polizei, wirklich … Aber was soll’s. Wir belassen es einfach dabei, gut?«
Kluftinger runzelte die Stirn und steckte das Handy wieder weg. Deshalb war Maier so verschnupft. Er würde später einen neuen Versuch starten. Dann begab er sich in den Vernehmungsraum.
Strobl begrüßte ihn mit einem Kopfnicken. Noch bevor er sich setzen konnte, ergriff Schratt das Wort: »Schon wieder einer! Ich muss aber meine Geschichte jetzt nicht noch mal erzählen, oder?«
»Sie werden sie so oft erzählen, wie wir es für richtig halten«, erwiderte Kluftinger ruhig. »Vielleicht erklären Sie mir mal, wie Sie gerade auf den Siegfried Holz gekommen sind.«
»Ich hab das jetzt langsam satt. Aber zum Mitschreiben: Es hat geheißen, der hat immer einen Haufen Geld bei sich. Und es war ja auch ziemlich bequem, man hat ihn mit dem Handy rufen können. Hat immer schön angezeigt, wo er gerade war.«
» Zweihundertsiebenundfünfzig Euro nennen Sie einen Haufen Geld?«
Schratt senkte den Kopf. »War wohl ne falsche Info.«
»Und warum haben Sie ihn dann hinterrücks erschossen? Sie haben ihn ja regelrecht hingerichtet. Nicht einmal wehren konnte er sich.«
»Auch das hab ich schon mehrfach gesagt: Der Schuss … hat sich gelöst.«
Kluftinger blickte zu Strobl, der nickte, was so viel heißen sollte wie »Das reicht fürs Erste«. Sie verließen den Vernehmungsraum.
Die Runde vor dem Monitor hatte sich inzwischen um einen gut gelaunten Polizeipräsidenten erweitert. »Jo, oiso, Manner, ehrlich, i woaß goar ned, wos i … Maier, tun S’ mir sofort eine Pressemeldung verfassn. Des solln alle wissn, wia schnöll mia den Fall … wirklich, des wird beim Ministerium für Aufsehen sorgen, und die
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