Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
gut?«
»Doch, doch, alles gut.« Kluftinger musste sich erst einmal besinnen, wo er überhaupt war. Er rieb sich die Augen, sein Nacken schmerzte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es höchste Zeit war für den Kurs.
»Na, dann: gute Besserung«, sagte der Mann und schlurfte davon.
»Du mich auch«, brummte der Kommissar.
Punkt vierzehn Uhr saß Kluftinger im Schneidersitz auf einer Isomatte im Gymnastikraum der Hochgratklinik und sah seufzend aus dem riesigen Panoramafenster. Die Aussicht entschädigte ihn ein wenig für das, was ihm in den letzten Minuten widerfahren war: Zuerst hatte ihm eine Schwester blau glänzende Leggins und ein graues Muskelshirt mit dem Schriftzug »Gym« aufgenötigt. Dann hatte er mit der Frau eine Diskussion darüber geführt, ob er seine Wollsocken anbehalten dürfte oder doch lieber die schwarzen, abgetragenen Gymnastikschuhe aus der Schachtel überstreifen sollte. Als sie ihm schließlich auch noch ein Frottee-Stirnband andrehen wollte, war er standhaft geblieben. »Glauben Sie mir, das werden Sie brauchen«, hatte sie ihm hinterhergerufen. Er konnte sich nicht vorstellen, warum man von ein paar Atemübungen ins Schwitzen kommen sollte, und schrieb ihre Äußerung seiner Leibesfülle zu.
Als er die anderen Teilnehmer des Kurses betrachtete, entspannte er sich schon vor Beginn der Stunde: Altersmäßig lag er klar unterm Schnitt, und besonders fit wirkten die anderen auch nicht. Einige fand er noch blasser und schlaffer als sich selbst, was bei seiner heutigen Selbstwahrnehmung schon etwas heißen wollte. Allerdings wurde ihm langsam klar, dass er das Stirnband doch besser hätte nehmen sollen, denn in dem Raum herrschte eine Bullenhitze, und die ersten Schweißtröpfchen sammelten sich auf seiner Stirn. Den anderen erging es zwar ähnlich, doch ihre Lippen wurden von einem erwartungsvoll-seligen Lächeln umspielt. Hoffentlich lüftete noch jemand, bevor es losging.
Auf einmal dröhnte draußen eine Stimme, die markige Sportlersprüche absonderte: »Pobacken zusammenkneifen«, hörte er, und »immer frisch, fromm, fröhlich, frei« und »wer rastet, der rostet«.
Priml.
Diese Sportfritzen waren doch alle gleich. Solche Sprechblasen kannte er sonst vor allem vom unermüdlich herumhopsenden Duracellhasen …
»… Doktor Martin Langhammer, die meisten von Ihnen kennen mich ja schon!«
Kluftinger glaubte zunächst an eine Halluzination wegen Unterzucker. Was machte der denn hier? Mit offenem Mund sah er Langhammer dabei zu, wie er in labberigen Leinenhosen und einem weit ausgeschnittenen Batikshirt im Schneidersitz auf einer Gymnastikmatte Platz nahm. In diesem Moment kreuzten sich ihre Blicke.
Auch der Doktor schien überrascht und überlegte ein paar Sekunden. »Na, mein Guter«, tönte er schließlich breit grinsend, »haben Sie ausnahmsweise mal auf meinen Rat gehört und sich hier gemeldet? Oder hat man Sie mit Gewalt hierher verschleppt?«
Kluftinger beschloss, den Raum sofort zu verlassen. Es stand schlecht genug um ihn, da brauchte er nicht noch Psychoterror von Doktor Schlaumeier. Er erhob sich, doch der Arzt war schon bei ihm und drückte ihn wieder zu Boden.
»Schön dableiben, mein Lieber, wir haben noch viel vor.«
Einen Augenblick stutzte Kluftinger: Lag er vielleicht immer noch im Liegestuhl und hatte nur einen Alptraum? Vom Fegefeuer? Heiß genug war es hier ja, und der Leibhaftige trug eben Pluderhosen und polierte Glatze. Allerdings hatte er keinen Pferdefuß, sondern perfekt pedikürte Zehen. Kluftinger seufzte und ergab sich in sein Schicksal. Half ja eh nichts.
Langhammer war auf seine Matte an der Stirnseite des Raums zurückgekehrt und setzte sich der Gruppe gegenüber wieder in den Yogasitz, allerdings ohne sich dabei mit den Händen abzustützen. So viel Körperbeherrschung hätte Kluftinger dem Arzt, der immerhin ein paar Jahre älter war als er selbst, gar nicht zugetraut.
»So, wir repetieren noch einmal ein paar Grundlagen, wir haben ja einen Jungfräulichen unter uns, bei dem wir wohl nicht auf viel Vorwissen zählen können …« Er ließ eine angemessene Pause folgen, dann fuhr er in belehrend-pastoralem Ton fort: »Wie wir wissen, gibt es zwei verschiedene Arten des Yoga, wir praktizieren hier eine abgewandelte Form des Hatha-Yoga, eine eigene Ausformung des In-sich-Sinkens.«
Kluftinger wäre auch gern versunken, doch er war zum Hierbleiben verdammt.
»Ich nenne es MaLa-Yoga, benannt nach seinem Großmeister …«, es
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