Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
im Moment belastet, was dir nicht guttut, was du loshaben möchtest …«
»Langhammer. Langhammer. Langhammer«, hauchte Kluftinger nun in jedes Ausatmen und merkte tatsächlich, wie die Spannung ein wenig nachließ. Doch dieser Effekt war nur von kurzer Dauer, denn der Aushilfsyogi fischte zwei Räucherstäbchen aus einer Packung und zündete sie an. Kluftinger meinte schon ein Kratzen im Hals zu spüren, noch bevor die erste Rauchschwade bei ihm angekommen war. Er räusperte sich vernehmlich, was Langhammer jedoch schnell mit dem Hinweis auf die besonders sanfte »Nag-Champa-Aastha-Golokal-Duftnote« abtat. Für Kluftinger roch es eher wie »Asthma kolossal«.
Und der Doktor schien kein esoterisches Folterinstrument ungenutzt zu lassen. Nun griff er zu einer flachen Messingschale, gegen die er mit einem filzumwickelten Klöppel schlug, während er federnden Schrittes durch den Raum ging. Er trug sie vor sich her wie ein Pfarrer den Kelch und forderte die Kursteilnehmer auf, dem »Klang der Harmonie in sich selbst« nachzuspüren.
Kluftinger bemühte sich angestrengt, doch er konnte die Harmonie nicht spüren, wahrscheinlich wegen des blutrünstigen Kriegsgeschreis in seinem Kopf.
»Hoaschiss!«,
entfuhr ihm auf einmal ein heftiger Nieser, woraufhin der gesamte Kurs im Takt zusammenzuckte und ihm empörte Blicke zuwarf. »Nix für ungut, aber da nagt
Champa
ein bissle an den Schleimhäuten«, erklärte er.
Mittlerweile hatte der Doktor seinen Rundgang beendet, bei dem er über jedem mit seiner Klangschale geheimnisvolle Linien in die Luft gemalt hatte. Er nahm wieder Platz und kündigte an, man unternehme jetzt eine gemeinsame Reise ins Land der Fantasie und der Träume. Sofort drückte er auf eine Fernbedienung, und auf einmal erfüllten sphärische Harfen- und Flötenklänge den Raum, vermischt mit Schreien von Möwen, dem Zirpen von Grillen und Wasserplätschern, was in dem Kommissar einen enormen Blasendruck auslöste.
»Fliegen wir jetzt an Orte des Glücks und der Fantasie«, tönte der Doktor salbungsvoll.
Kluftinger wäre sofort in jedes Flugzeug eingestiegen, das ihn von hier wegbrachte, doch er wusste, dass sein Aufenthalt hier noch nicht beendet war. Also entschied er, sich auf das Experiment einzulassen, und schloss die Augen mit dem festen Vorsatz, sich zu entspannen.
»Öffnet euch so weit wie ich.« Langhammer breitete die Arme aus.
Bei dir ist zumindest der Arsch schon mal ziemlich weit offen,
dachte Kluftinger.
Langhammers Stimme verfiel in einen meditativen Singsang. »Ist dein Körper schon eins mit dir oder, kämpft ihr noch gegeneinander?«
Wohnst du noch oder lebst du schon,
schoss es Kluftinger durch den Kopf.
»Ich überschreibe die Reise mit
Das Lied des Windes,
es geht uns darum, Mitgefühl und Liebe in die Welt zu tragen. Leg dich hin und lass los, spüre, wie deine Arme immer tiefer in den Boden sinken, deine Brauen, deine Lider …«
Kluftinger hatte tatsächlich das Gefühl, als würden seine Glieder wohlig warm und schwer.
»Ihr findet einen Baum auf einer Sommerwiese, ein sanfter Wind bringt die Schäfchen am Himmel nach Hause …«
Der Kommissar sah den Baum auf der Zauberwiese, der voller kleiner, roter Äpfelchen hing, doch an seinem Himmel hingen schwere, dunkle Gewitterwolken.
»Steh nun auf und fliege mit dem Wind an den Ort deiner Sehnsucht.«
Von der Wiese flog Kluftinger an seinen Lieblingsort, sah, wie unter ihm die Freilichtbühne auftauchte, der Altusrieder Kirchturm, das Wohngebiet, erkannte, dass da, wo normalerweise der Flachdachbungalow des Doktors stand, eine Wiese mit einem Kirschbäumchen war, und ein warmes Gefühl der Zufriedenheit durchströmte ihn, er flog, er war schwerelos. Doch auf einmal geriet er in Turbulenzen, wurde regelrecht durchgeschüttelt – und schlug die Augen auf. Er blickte in das erhitzte Gesicht des Mannes, der eben noch auf der Matte neben ihm gelegen war und ihn nun unsanft an den Schultern gepackt hatte.
»He! Mir isses eigentlich egal, ob Sie hier den halben Kurs verpennen, aber Sie schnarchen wie ein Walross, da kann sich kein Mensch mehr konzentrieren!«
Kluftinger richtete sich peinlich berührt auf und wollte sich entschuldigen, da vernahm er schon wieder Langhammers Stimme. »So, damit sind wir am Ende unseres Entspannungsblocks …«
Mein Traum wird wahr!,
jubilierte der Kommissar innerlich. Er hatte die komplette Stunde verschlafen und fühlte sich frisch, ausgeruht und leicht wie eine Feder.
»… und
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