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Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)

Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)

Titel: Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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verschwörerisch zu. »Depperte Namen sind das, gell?«, flüsterte er.
    Mit einem Blick, der Kluftinger wieder an den
lauernden Löwen
erinnerte, zischte sie in geschliffenem Hochdeutsch zurück: »Hören Sie, die Yogakunst kommt aus einer Zeit, als Ihre Vorfahren noch mit den Kühen grasten, da brauchen Sie sich nicht drüber lustig zu machen wie ein pubertierender Pennäler. Nur weil Sie versuchen, Ihre körperlichen Unzulänglichkeiten und Ihr mangelndes Selbstwertgefühl durch alberne Witzchen zu überspielen, müssen wir das noch lange nicht hinnehmen. Man muss die Übungen zulassen und sich öffnen. Wir wollen ja nicht alle mal so enden wie Sie!« Dabei musterte sie ihn abschätzig von oben bis unten.
    »Zulassen … öffnen, schon verstanden«, brummte er kleinlaut.
Meine Güte,
da schien der Nebenerwerbsguru Langhammer ja noch deutlich mehr Humor zu haben als all seine verspannten Jünger zusammen. Missmutig setzte er sich auf seine Matte und sah aus dem Panoramafenster in die Berge. Er atmete tief ein. Das Stechen in seinem Brustkorb hatte abgenommen. Und das, obwohl er noch keine Übung richtig ausgeführt hatte und sich mindestens genauso auf- wie abgeregt hatte. Und doch fiel es ihm schwer, seinen Frieden mit dieser indischen Gymnastik zu machen, die
zickende Ziege
neben ihm hatte ihm die Stimmung verhagelt.
    Er drehte sich frontal zum Fenster, ließ sich nach hinten fallen, stützte sich auf den Unterarmen ab und legte den Kopf in den Nacken.
    »Mein lieber Kluftinger, welche Figur soll das bitte sein, die Sie uns da vorführen?«
    »Das? Das ist der sich von den Affen abwendende wilde Hund.«
    Irgendwann im weiteren Verlauf des nicht enden wollenden Kurses, zwischen
Die weiße Schlange spuckt Gift, Auf den Fuß klatschen und den Tiger zähmen
und
Die Mähne des Wildpferds teilen,
stieg der Kommissar doch wieder ein und machte ein paar Figuren mit. Auf seine Art zwar, aber immerhin: Auf unerklärliche Weise tat es ihm gut, wenn er seine morschen Gelenke streckte und ein wenig bewegte – sollten die Yogaheinis samt ihrem Meister Proper doch über ihn denken, was sie wollten. So vollzog er stoisch gelassen den
Schlag zu den Ohren mit beiden Fäusten
nach und erinnerte sich daran, dass sein Vater diese Übung vor gut vierzig Jahren einmal bei ihm ausprobiert hatte, als er mit zwei anderen Buben die Katze des Bürgermeisters unter Starkstrom gesetzt hatte. Und als er schließlich
Auf einem Bein stehen und den Tiger reiten
praktizierte, fühlte er sich, als sei er nunmehr mit allen ayurvedischen Wassern gewaschen.
    Dementsprechend froh war er, als der Doktor die Figurenrunde für beendet erklärte.
    »Fast schad, dass es schon aus ist«, sagte er.
    »Nicht schwätzen!«, ermahnte ihn Langhammer und erklärte: »Bleibt noch in dieser Ruhe und Harmonie, und drückt nun die wiedergefundenen Emotionen in freiem Tanz aus.«
    »Hm?« Kluftinger war sicher, dass ihm seine vom vielen Schwitzen vernebelten Sinne einen Streich gespielt hatten.
    »Gefühle tanzen«, wiederholte der Doktor.
    »Ganz bestimmt.« Dazu hätte es schon einer ausgewachsenen Gehirnwäsche bedurft. Der Kommissar dachte nicht im Traum daran, sich hier vollends zum Deppen zu machen, und hockte sich demonstrativ wieder hin, wobei er die Haltung, die er dabei einnahm, innerlich als
Die kalbende Kuh bekommt die Presswehen
bezeichnete. Derart von sich selbst erheitert, sah er erst fassungslos, dann zunehmend amüsiert, wie sich ein Dutzend zwar herzkranke, aber doch eigentlich ernstzunehmende Mitteleuropäer mit dem Doktor allmählich in Trance wackelten. Der hatte obendrein kleine Schellen in der Hand, mit denen er unablässig herumbimmelte, während er durch den Raum fegte wie ein Derwisch. Schweißtropfen lösten sich von seiner Glatze und flogen in alle Richtungen, trafen die anderen Tänzer, die das mit geschlossenen Augen und grenzdebil grinsend gar nicht zur Kenntnis nahmen.
    Es war ein absurdes Bild: der Doktor in seiner fliegenden Leinenhose und seine Jünger mit den vor Erregung geröteten Backen, die, ergriffen vom Glauben an die Kraft der Meditation, ungelenk Tanzschritte ausführten, die aus Kluftingers Sicht mit dem Wort
Hupfdohlen
nur unzureichend beschrieben waren. Diese Möchtegern-Feierabendbuddhas hatten nichts von der Anmut fernöstlicher Gurus, sie wirkten in ihren quietschbunten Ballonseidenanzügen wie eine Schar zu fett geratener Pfaue, die zu fliegen versuchten.
    Irgendwann verschwammen die Bewegungen der Leute, die

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