Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
seltsamen Klänge, die Hitze und die schlechte Luft zu einer so bizarren und absurden Mischung, dass Kluftinger nicht mehr anders konnte: Er lachte einfach los. Es platzte regelrecht aus ihm heraus, als habe man eine unter Druck stehende Sektflasche entkorkt, steigerte sich nach und nach in ein ekstatisches Gelächter, das seinen ganzen Körper in Wallung versetzte und seinen Bauch rhythmisch auf und ab wippen ließ. Tränen kullerten seine Wangen hinunter, und er bekam gar nicht mit, dass die Musik inzwischen verklungen war und der Doktor sich ihm genähert hatte. Der sah ihn an, legte ihm die Hand auf die bebende Schulter und erklärte unter den missbilligenden Blicken des restlichen Kurses laut: »Mein lieber Kluftinger, der Bauchtanz hat zwar einen völlig anderen kulturellen Hintergrund, aber wenn es Ihnen hilft, mit Ihren Problemen fertigzuwerden, tun Sie sich keinen Zwang an. Es gibt schließlich auch den lachenden Buddha, nicht wahr?« Damit schnappte er sich ein Handtuch, zwinkerte dem Kommissar noch einmal zu und verließ mit den anderen den Raum.
Es war fast drei, als Kluftinger wieder in sein Auto stieg. Nachdem er sich beruhigt hatte, hatte er noch eine Weile aus dem Fenster geblickt und mit der Zeit tatsächlich so etwas wie inneren Frieden gefunden. Selbst wenn der mit einem nie gekannten Hass auf Langhammer konkurrieren musste. Aber das war ihm auch Ansporn, denn er würde ihm alles heimzahlen – und dafür brauchte es nicht nur ein gesundes Herz, sondern auch einen langen Atem.
Er ahnte, wie gut ihm ein regelmäßiges Yogatraining tun könnte – wenn der Kursleiter nicht ausgerechnet Martin Langhammer hieß. Und obwohl das Gespräch mit Doktor Steiner nicht mehr zustande gekommen war, weil der Arzt nicht aufgetaucht war, stufte er seine Stippvisite nicht als vertane Zeit ein. Vielmehr fühlte er sich, als hätte er die Lok noch mal aufs richtige Gleis gesetzt – und damit die verbleibende Fahrzeit verlängert.
Seine Tiefenentspannung währte allerdings nur bis zu dem Moment, als er an der Ampel sein Handy einschaltete – und es sofort wie wild zu piepsen begann. Zwölf Anrufe in Abwesenheit zeigte das Display, drei neue Sprachnachrichten warteten auf der Mailbox. Er seufzte und begann, sie abzuhören.
»Nachricht eins, heute, vierzehn Uhr drei«, kündigte eine blecherne Frauenstimme an, dann erklang Richard Maiers näselndes Schwäbisch: »Hallo? Hallo? Haaaallooooo! Sag mal, wo bist du? Es gibt neue Erkenntnisse in unserem Fall, die sollten wir besprechen. Meld dich doch bitte, over and out.«
Er seufzte. Maier wäre sicher für sein Leben gern James Bond geworden, wenn das ein Ausbildungsberuf gewesen wäre.
»Nachricht zwei, heute, vierzehn Uhr siebzehn.«
»Sag mal, was ist denn los? Ich weiß gar nicht, wo du bist! Hast du den Kollegen Bescheid gegeben? Melde dich doch mal schleunigst, bitte. Danke.«
»Nachricht drei, heute, vierzehn Uhr dreiundvierzig.«
»Hallo? Hallohallohallo?« Maiers Stimme hatte inzwischen die Tonhöhe der Computeransage angenommen. »Soll ich dich zur Fahndung ausschreiben lassen, oder wie stellst du dir das vor? So kann eine ordnungsgemäße Polizeiarbeit nicht mehr gewährleistet werden. Wenn du einfach abtauchst. Also, ich weiß nicht, vielleicht sollte ich den Lodenbacher einschalten. Ruf! Jetzt! An! Maier Ende.«
Kluftinger warf das Handy auf den Beifahrersitz. Er hatte eben erst beschlossen, sich von nichts und niemandem mehr stressen zu lassen, und er wollte diesen Vorsatz nicht schon nach ein paar Minuten wieder brechen. Schon gar nicht für Richard Maier. Es würde sicher reichen, wenn er alles im Büro erfuhr, von unterwegs aus konnte er sowieso nichts tun. Und wenn doch, hätte sich Maier eben etwas konkreter ausdrücken müssen. Ordnungsgemäße Polizeiarbeit waren solche Anrufe ebenfalls nicht.
Eine halbe Stunde später betrat Kluftinger das Büro von Hefele und Strobl. Als er eintrat, war ihm klar, dass in der Zwischenzeit einiges passiert sein musste: Die Geschäftigkeit war förmlich spürbar. Hefele hatte den Telefonhörer in der Hand und schrieb etwas auf, zwischendrin nickte er und sagte immer wieder: »Verstehe!« Strobl hackte nervös auf seiner Tastatur herum und ignorierte das penetrante Klingeln seines Telefons, während Maier damit beschäftigt war, irgendwelche Zettel und Fotos an eine Pinnwand zu heften, die bei Kluftingers Abfahrt dort noch nicht gestanden hatte.
Wie lang war ich weg?,
fragte sich
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