Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
Beifahrersitz. Sollte er wirklich ausgerechnet mit Maier über all das reden, was ihn gerade so belastete? Immerhin war es ihm aufgefallen. Er schien tatsächlich der einzig sensible Mensch in seinem Team zu sein. Andererseits: Es handelte sich um Richard Maier!
»Weißt du, wenn die anderen zuhören, kann man ja kein mitfühlendes Wort reden, aber so unter uns können wir doch einfach mal alles frei bequatschen.«
Bequatschen!
Nein, niemals würde sich Kluftinger jemandem anvertrauen, der etwas mit ihm
bequatschen
wollte. Er schüttelte den Kopf und brummte ein wenig überzeugendes »Passt alles«.
»Ist schon gut, du brauchst halt länger als andere, bis du dich jemandem vorbehaltlos öffnest. Aber was ich dir echt sagen muss: Mir gefällt das, dass du jetzt irgendwie feinfühliger bist und auch mal einen stillen Moment bewusst durchlebst, wie jetzt gerade auf der Fahrt.«
Die Geister, die ich rief,
dachte Kluftinger.
»Und deine lebensbejahende Einstellung: toll, echt! Im Team herrscht schon eine viel kollegialere und bessere Atmosphäre. Und das, wo wir heut erst angefangen haben damit!«
Maier hatte sich im Sitz nach vorn gelehnt und strahlte seinen Chef an.
»Dankschön, Richard«, brummte der nur.
»Also, mein Angebot steht: Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du jemand brauchst zum …«
»… bequatschen. Schon klar. Wird nicht vorkommen, aber danke.«
»Hast du denn schon in eines der Bücher reingelesen, die ich dir hingelegt hab?«
Kluftinger überlegte kurz. Wenn er das nun zugab, bedeutete es, Maier einen ganzen Schritt näher an sich ranzulassen. »Schon, das mit den Entspannungstechniken ist gar nicht mal so schlecht. Dieses Yogazeug, das bringt echt was, glaub ich.«
Maier nickte aufgeregt. »Und ob! Wusstest du, dass es auch tolle Quick-Relax-Methoden für unterwegs gibt? Zum Beispiel den Lenkrad-Zudrücker. Pass auf, das können wir gleich machen. Du musst nur bewusst das Lenkrad fest umfassen, bis deine Handmuskeln ganz angespannt sind, und dann wieder loslassen!«
Kluftinger stieß verächtlich die Luft aus. »Das mach ich regelmäßig, wenn ein Württemberger Drimsler vor mir herschleicht. Aber du hast recht, wenn ich danach ein paar ordentliche Flüche raushaue und gegen die Tür trete, bin ich ganz entspannt.«
»Kultivier jetzt bitte nicht wieder deine rauhe Schale. Bei diesen Übungen geht es um dosierte Muskelspannung und -entspannung, um Dehnung und Streckung – im Prinzip also Yoga fürs Auto.«
»Gut, also, ich drück mal kurz das Lenkrad.« Mit zusammengebissenen Zähnen führte er dreimal die von Maier vorgeschlagene Übung aus.
»So, jetzt den Autodach-Knie-Quetscher: Du musst beide Hände nach oben strecken und drücken, dazu noch beide Knie gegeneinanderpressen.«
Der Kommissar sah seinen Kollegen tadelnd an und deutete dann mit dem Kopf auf das Lenkrad, auf dem seine Hände lagen.
»Gut, das ist vielleicht doch eher was für einen Stau oder die rote Ampel. Dann was anderes. Unerlässlich beispielsweise ist die Augenentspannung: Ein hoher Prozentsatz der Kopfschmerzen, unter denen wir leiden, gehen von überlasteten Augen aus, wusstest du das? Wichtig ist: Zuerst mal die Handinnenflächen gegeneinanderreiben …«
Maier begann eifrig, seine Hände hin und her zu bewegen, wobei er angestrengt dreinblickte und seine Zunge ein wenig herausstreckte.
»… um sie dann für ein paar Sekunden auf den geschlossenen Augen ruhen zu lassen. Das entspannt und wärmt, zudem kann die Energie viel besser fließen.«
Kluftinger sah ihn entnervt an. »Richie, ich fahr Auto. Wie, bitte, soll ich die Augen zumachen, du Kasperle, kreuzkruzifix!«
»Ich kann derweil lenken, das ist doch kein Problem. Du musst nur loslassen! Also, auch innerlich, mein ich.« Bei diesen Worten langte er Kluftinger bereits ins Steuer, woraufhin dieser heftig ausholte und seinem Kollegen derart auf die Hand schlug, dass es klatschte und der Wagen erneut bedrohlich ins Schlingern geriet.
»Aua, bist du jetzt übergeschnappt?«
»Richie, ich warn dich! Mach das nie wieder, kapiert? Sonst schmeiß ich dich in hohem Bogen raus und betonier dir eine, dass du nicht mehr weißt, wo vorn und hinten ist!«
Maier zog seine Hand zurück, rieb sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht und sagte: »Weißt du, was du brauchst?«
»Nein, aber ich weiß, dass
du
gut mal einen Psychiater vertragen könntest.«
»Du brauchst ein Mantra, das dich beruhigt und deine Aggressionen in positive Energien umwandelt«,
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