Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
schlecht, sondern weil sie eher viel zu gut kocht. Und das seit bald dreißig Jahren.«
Seine Mutter schien das nicht zu überzeugen: »Gesund! Du bist ja bloß noch Haut und …« In diesem Moment betrat Erika wieder den Raum. Ansatzlos wechselte seine Mutter in einen unverbindlichen Plauderton und fuhr fort: »… weil doch die Gertraud, du weißt schon, von den Mayers oben, also die hat gemeint, da könnt man schon mal schauen, ob das nicht vielleicht doch geht.«
Fragend blickte Kluftinger zu seinem Vater, der lediglich mit den Schultern zuckte und sich dann entschlossen einen Schübling auf die Gabel spießte.
»Was ist mit der Mayer?«, fragte Erika nach, doch Hedwig Kluftinger winkte nur ab und konterte mit einer Gegenfrage: »Was gibt’s denn morgen am Sonntag zum Essen bei euch?«
Noch während sie die Frage stellte, spürte Kluftinger unter dem Tisch etwas an seinem Bein. Er rückte etwas zurück, blickte nach unten – und wollte nicht glauben, was er da sah: Die knochige Hand seiner Mutter streckte ihm eine dicke Scheibe Salami entgegen. Er lief rot an und stimmte innerlich sein Mantra an:
Lecktsmichdochallemal…
Dann brach er es ab, es schien ihm in Bezug auf seine Mutter unpassend. Er versuchte einfach, fließend und bewusst zu atmen und ansonsten jede weitere Reaktion zu vermeiden, sonst hätte der anfangs so friedliche Abend noch einen ganz und gar unfriedlichen Ausgang finden können. Seine Mutter konnte es einfach nicht lassen: Mal steckte sie ihm heimlich Geld zu, dann wischte sie ihm in aller Öffentlichkeit mit einem spuckefeuchten Taschentuch Schmutzflecken aus dem Gesicht oder brachte ihm selbstgehäkelte Mützen vorbei, wenn sie ihn im Winter mal wieder draußen ohne Kopfbedeckung »erwischt« hatte.
Er nahm also die Scheibe, wünschte sich in diesem Moment zum ersten Mal einen Hund, schob sie aber mangels Haustier in seine Hosentasche.
»Morgen?«, antwortete Erika ihrer Schwiegermutter mit einer Mischung aus Misstrauen und Widerwillen. »Ich hab gedacht, ich mach uns einen schönen Frühlingssalat.«
Hedwigs Miene versteinerte, und Kluftinger wusste, dass sie ihn vor ihrem inneren Auge bereits einen qualvollen Hungertod sterben sah.
»Nein, Schmarrn, wir gehen doch auf den Jahrmarkt!«
»Ach so, ja, wenn’s halt vom Wetter passt, oder?«, fragte Erika an Yumiko und Markus gewandt, was diese mit einem nicht allzu euphorischen Kopfnicken zur Kenntnis nahmen.
Kluftinger sah, dass die Nachricht zumindest seine Mutter ein wenig beruhigte.
»Ah, das ist doch schön. Esst ihr ein Schaschlik, hm? Oder ein paar schöne Bratwurstsemmeln. Oder einen Steckerlfisch? Mit Riesenbreze?«
»Ja, ja, mal schauen, Mutter«, brummte der Kommissar.
Fünf heimliche Salamischeiben später war das Abendessen beendet, und Kluftinger stand auf, um die Teller abzuräumen, woraufhin seiner Mutter der Kiefer herunterklappte. Sie haute ihm auf die Finger und schimpfte, es seien doch wirklich genügend Frauen da, er müsse sich ja nicht auch noch um die Küchenarbeit kümmern, er habe doch eh schon einen so anstrengenden Beruf.
Kluftinger seufzte – es hätte sowieso keinen Sinn gehabt, hier nach einem Zusammenhang zu fragen, also setzte er sich wieder und sah den drei Frauen beim Abräumen zu. Sein Sohn fläzte sich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein; er hatte offenbar weniger Schwierigkeiten damit, das von seiner Großmutter eingeforderte überkommene Rollenbild zu akzeptieren.
Oma ist sicher mächtig stolz auf ihn,
dachte der Kommissar. Bevor Hedwig den Raum verließ, stieß sie ihren Mann in die Rippen und wies dabei mit dem Kopf auf den Kommissar.
Als alle Frauen in der Küche waren und man das leise Klappern des Geschirrs vernahm, seufzte auch sein Vater und sagte: »Deine Mutter hat mich gerade beauftragt, dich zu fragen, ob was nicht stimmt.«
»Ich hab’s bemerkt.«
»Kennst sie ja.«
Sie nickten.
»Und?«, fragte Kluftinger senior nach einer Weile.
»Hm?«
»Alles in Ordnung?«
»Fragst jetzt im Ernst?«
»Ich muss schon irgendein Ergebnis vermelden, sonst krieg ich Händel.«
Alles andere hätte Kluftinger auch gewundert, denn sein Vater war eben nicht der Typ, mit dem er sich normalerweise über Befindlichkeiten austauschte. Dennoch beschloss er, genau das heute zu tun. Er holte also Luft zu einer Antwort, da kam ihm sein Vater zuvor.
»Gut. Hab ich mir gleich gedacht.«
Kluftinger nahm einen Schluck alkoholfreies Bier aus seinem Krug. Er überlegte ein paar
Weitere Kostenlose Bücher