Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
anzuschlagen. »Gut, Herr Wischnewski, würden Sie uns dann bitte die besagten Fotos aushändigen?«
»Aushändigen?«, wiederholte der ruhig. »Ich habe nicht vor, Ihnen irgendetwas auszuhändigen. Sie können einen Blick darauf werfen, aber ich bin nicht bereit, Ihnen meine Fotografien zu schenken.«
»Aber Sie hatten unseren Kollegen doch versprochen, wir könnten die Fotos haben.«
»Nun ja, da habe ich meine Meinung eben geändert. Wenn Sie mir einen richterlichen Beschluss bringen und die Fotos konfiszieren, dann sieht das natürlich anders aus.«
Kluftinger nickte. »Schon klar, Herr Wischnewski. Es tut mir leid, das von gerade eben, meine ich. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
»Tja«, schaltete sich nun die Frau mit kalter Stimme ein, »wissen Sie, Herr Kommissar, es gibt da ein Sprichwort: ›Es ist so schnelle weh getan und gutgemacht so schwer.‹ Hat meine Mutter immer gesagt. Wie recht sie damit hatte.«
»Da kenne ich auch noch eins«, ergänzte ihr Mann. »Es heißt: ›Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andren zu.‹ Das sollte man vielleicht zur Maxime seines Verhaltens machen, wenn man mit Menschen zu tun hat. Frei nach Kant, aber den werden Sie nicht kennen, oder?«
»Nicht, dass ich mit dem schon in der Kapelle gespielt hätt.«
»Wie dem auch sei: Wenn Sie wollen, können Sie die Fotos ansehen. Das muss genügen«, bot Wischnewski an.
»Ja«, antwortete Kluftinger. Und als sich die beiden noch immer nicht bewegten, schloss er brummend: »Bitte.«
Die meisten der Bilder waren für ihre Zwecke unbrauchbar, das sah Kluftinger schon beim ersten Überfliegen. Eines jedoch, sie hatten es schon fast überblättert, ließ ihn aufmerken. Er zeigte mit dem Finger auf die untere rechte Ecke des Fotos. Strobl kniff die Augen zusammen.
Auf dem Foto waren sechs ältere Damen zu sehen, allesamt mit Jacken in gedeckten Farben, Handtaschen und Kaffeetassen ausgestattet, mit denen sie sich gerade zuprosteten. Doch am Rand, neben dem Bus, tauchte hinter dem grauen Rock einer der Frauen ein kleiner Ausschnitt eines Autokennzeichens auf.
»Himmelarsch«, presste Kluftinger hervor. Wischnewskis Foto brachte sie tatsächlich weiter. Zwar war der Wagentyp nicht zu erkennen – da würde weder ein Vergrößern noch eine Bearbeitung des Fotos etwas bringen, denn durch die aufgeschwollenen Beine von Frau Huber konnte auch kein Computer hindurchsehen. Aber die erste Buchstabenkombination auf dem Schild konnte man sehen – wenn es auch da Deutungsspielraum gab: ob nun OA für Oberallgäu oder OAL für Ostallgäu auf dem Schild stand, war nicht eindeutig zu bestimmen.
Doch immerhin wussten sie nun, dass sie es mit einem Auto aus der Region zu tun hatten. Kluftinger verbuchte das als Erfolg. Und sogar die Wagenfarbe, ein Anthrazit oder Silbergrau, ließ sich erahnen. Zufrieden bat der Kommissar Strobl, das Foto mittels seines Handys abzufotografieren, zu mehr ließ sich Herr Wischnewski nicht bewegen. Der Kommissar erwog, sich die Negative tatsächlich mit Hilfe eines richterlichen Beschlusses zu besorgen – und sei es nur, um den eingeschnappten Wichtigtuer ein wenig zu ärgern.
Nach einer fast schon lächerlich frostigen Verabschiedung, bei der es das Ehepaar Wischnewski vermieden hatte, die beiden Polizisten überhaupt anzusehen, war er froh, wieder frische Luft atmen zu können. Allzu schnell hatte sich die Heimeligkeit im Wohnzimmer dieses seltsamen Ehepaares in drückende Enge verwandelt.
Kluftinger zückte sein Handy und wählte Maiers Nummer. Der hob sofort ab. »Du, Richie, der Eugen mailt dir jetzt gleich mal ein Bild rüber. Da drauf sieht …«
»Warum warst du denn schon wieder nicht erreichbar?«, schrie der Kollege fast in sein Telefon.
»Du, weil ich das Handy im Auto liegen hatte, ich …«
»Im Auto, im Auto, so ein Scheißdreck immer!«
Der Kommissar stutzte. »Richie, was ist denn los?«
»Was los ist? Unser Taximörder hat einen Selbstmordversuch unternommen, in der U-Haft. Das ist los.«
»Ach du Scheiße! Und?«
»Wie gesagt: Versuch. Er hat’s wohl bislang überlebt. Er wollte sich erhängen, mit dem Bettlaken. Mehr weiß ich auch noch nicht. Ich bin schon fast da.«
»Sollen wir helfen?«, fragte Kluftinger der Ordnung halber, auch wenn er erwartete, dass sein Kollege allein zurechtkam.
»Ja, logisch kommt ihr auch!«
»Okay, Richie, wir sind in einer halben Stunde da«, schloss der Kommissar zähneknirschend.
Auch er konnte sich erbaulichere
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