Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
von ihrem Mann jedoch umgehend in die andere Richtung geschoben. Er wollte ein weiteres Zusammentreffen mit dem Doktor um jeden Preis verhindern.
Eine Weile ging das auch gut, doch als sie vor einem besonders lärmenden, von Kunstnebel umwaberten Fahrgeschäft standen, kam Langhammer schnurstracks auf sie zu. Kluftinger schaute sich hektisch um und drängte die anderen kurzerhand zum Eingang, was ihm in diesem Moment der einzige Ausweg zu sein schien. Er stürzte auf das Kassenfensterchen zu und löste seine Karte. Erst als er den Einlass passiert hatte und in einem kleinen Wagen Platz nahm, realisierte er, dass seine Familie gar nicht mitgekommen war.
»Was ist denn?«, rief er noch, während sich ein dicklicher Junge neben ihn zwängte.
»Ihr ist schlecht«, sagte Markus und zeigte auf Yumiko. Dann forderte er ihn auf, ihm doch den Schlumpf zuzuwerfen, sonst müsse er noch Zuschlag bezahlen. Kluftinger nahm das Angebot an, jedoch nur, um leichter wieder aussteigen zu können. Allerdings schloss sich in diesem Moment der Bügel des kleinen Wagens über seiner Schulter und drückte ihn vehement zurück in seinen Sitz. Sofort setzte sich das Gefährt in Gang. Entsetzt hob Kluftinger den Kopf, sah die gewundene Stahlkonstruktion, die sich über ihm in den Himmel schraubte, blickte angstvoll zurück und sah nun zum ersten Mal die blinkende Schrift, die den Namen der Attraktion verkündete: »Wilde Ratz – Achterbahn«.
Ihm entfuhr ein »Um Gottes willen!«, woraufhin das Kind, das neben ihm saß, ihn frech angrinste.
Das nahm der Kommissar aber nur beiläufig wahr, als er panisch gegen den Riegel vor seinem Oberkörper drückte, der sich jedoch keinen Millimeter rührte. Im selben Moment kippte das Gefährt nach hinten, und sie fuhren fast senkrecht in die Höhe. Kluftinger folgte der Bahn mit den Augen bis an den Scheitelpunkt – und erstarrte: Von dort aus ging es in einem halsbrecherischen Zickzackkurs steil nach unten.
»Kruzifix«, zischte er, doch es klang eher wie ein Wimmern. Wieder schaute der Junge ihn an. »Brauchst keine Angst zu haben, mein Kleiner«, kam es wenig überzeugend vom Kommissar. Da rumpelte es unter ihnen, es klackte metallisch, und der Wagen wurde heftig durchgeschüttelt. Panisch klammerte sich der Kommissar an den Bügel. »Was war das? Ist da was locker?«, fragte er mit zitternder Stimme. Als er bemerkte, dass ihn das Kind wieder angrinste, fügte er hinzu: »Manchmal löst sich bei so Dingern was. Gar nicht so selten kommt das vor, jaja. Dann stürzen die Wagen in die Tiefe und zerschellen am Boden, und alle, die drinsitzen, werden zerschmettert und müssen eines qualvollen Todes sterben.«
Das Lächeln des Buben gefror, und ihr Wagen kippte langsam nach vorn, um unter ohrenbetäubendem Lärm in die Tiefe zu rauschen.
»Hiiiiilfe …«, schrie Kluftinger aus vollem Hals. Es war ihm egal, dass ein Kind neben ihm saß, egal, dass seine Familie vielleicht zusah, er spürte nur nackte, kalte Angst. Würde sein Herz das aushalten? »Neiiiiiin«, entfuhr es ihm, als das Wägelchen schnurgerade auf den Abgrund zuraste, nur um im letzten Moment mit einem heftigen Ruck die Richtung zu ändern. Wer dachte sich nur solche Höllenmaschinen aus?
Auch das Kind neben ihm begann nun, von der Verzweiflung des Kommissars befeuert, zu schreien, und so rasten sie im Chor brüllend durch die Kurven, bis sie nach einer schier endlosen Horrorfahrt ruckartig abgebremst wurden und sanft an die Ausstiegsstelle glitten. Kluftinger war ein bisschen benommen, hatte sich aber schnell wieder gefangen. Das Kind dagegen schrie noch immer wie am Spieß, die Tränen rannen ihm in Bächen die Wangen hinunter. Der Kommissar fühlte sich ein wenig schuldig und half ihm beim Aussteigen, als eine Frau auf sie zugestürzt kam, den heulenden Jungen packte und sagte: »Ich hab dir gleich gesagt, dass das noch nix für dich ist.« Dann entschuldigte sie sich beim Kommissar: »Tut mir leid, ich hoffe, er hat Ihnen nicht die Fahrt verdorben.«
»Ach was.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hat halt nicht jeder die Nerven dafür.«
Erika kam ebenfalls zu ihnen. Als sie das weinende Kind sah, erklärte sie: »Nur gut, dass der Bub mit dir gefahren ist, hat er wenigstens ein bissle Beistand gehabt.«
Um sein Ego wieder aufzurichten, steuerte Kluftinger im Anschluss noch den Schießstand an. Als sie dort ein Schild mit der Aufschrift
Ab sofort: Junger Mann zum Mitreisen gesucht
sahen, meinte er, Markus könne
Weitere Kostenlose Bücher