Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
anderen zusammenknallte, hatte nur noch Augen für das pinkmetallicfarbene Fahrzeug, in dem Langhammer saß. Immer wieder wippte er vor und zurück, um seinem Gefährt dadurch mehr Schwung zu geben, was den Zusammenstößen noch mehr Wucht verlieh und Yumiko immer wieder schrill aufschreien ließ. Doch auch das nahm er nicht wirklich wahr, sondern hielt auf den Doktor zu, der nichtsahnend langsamer wurde, um eine Linkskurve zu nehmen. Gerade als er entspannt einen Arm auf die Tür lehnte und einhändig den Bogen vollenden wollte, knallte ihm der Kommissar derart heftig in die Seite, dass er durch die Wucht des Aufpralls eine Hundertachtzig-Grad-Drehung vollführte. Etwas benommen versuchte Langhammer, den Ursprung der Erschütterung auszumachen, da hatte Kluftinger schon ein paar Meter zurückgesetzt, um das Gaspedal sofort wieder durchzutreten und erneut auf ihn zuzurasen. Noch bevor der Doktor ihn erblickt hatte, rumste es schon wieder so gewaltig, dass dem Arzt die riesige Brille von der Nase rutschte und er sich nach unten beugte, um sie wieder aufzuheben. Da sah Kluftinger seine Chance: Er vollführte eine elegante Drehung und raste nun frontal auf das Arztmobil zu, prallte heftig dagegen, woraufhin der Kopf des Doktors schmerzhaft gegen das Armaturenbrett schlug.
»Autsch!« Erst Langhammers Aufschrei lichtete den Nebel in Kluftingers Kopf, und er kam wieder etwas zur Besinnung. Er sah zu Yumiko, die mit weit aufgerissenen Augen und bleichem Gesicht neben ihm saß – und erschrak über sich selbst. Der ganze Frust der vergangenen Tage, all die Ungewissheit, seine Angst hatten sich in einem Moment Bahn gebrochen und waren in dieser Höllenfahrt kulminiert.
Fast ein wenig beschämt trat er den Rückzug an.
»Na, Angst bekommen?«, rief ihm der Doktor hinterher, was Kluftingers Adrenalinspiegel wieder gefährlich anschwellen ließ. Doch eingedenk seiner Beifahrerin beherrschte er sich – zumindest ein bisschen. Auf seinem Weg in die Parkposition stachelte er die Jugendlichen, an denen er vorbeifuhr, gegen den Doktor auf, behauptete, der habe sich abfällig über ihre Kleidung oder ihre Freundin geäußert, was zur Folge hatte, dass drei Viertel der auf der Bahn befindlichen Fahrzeuge nun Jagd auf Langhammer machten.
Dessen selbstsicheres Grinsen wich einem leicht panischen Gesichtsausdruck – mutmaßte Kluftinger jedenfalls, denn so genau konnte man das nicht erkennen, weil der Arzt alle paar Sekunden von einem heftigen Zusammenstoß durchgeschüttelt wurde.
Als er Yumikos Hand ergriff, um ihr aus dem Fahrzeug zu helfen, spürte der Kommissar, dass sie eiskalt, feucht und zittrig war. »Ich glaub, wir gehen dann mal«, sagte er, wobei er ihr heftiges Atmen bemerkte.
Beim Hinuntersteigen begegneten sie Annegret, die fassungslos das Treiben auf der Bahn beobachtete. Kluftinger grüßte sie kurz, beugte sich dann zu Yumiko und flüsterte: »Das bleibt vielleicht besser unter uns.«
Die Japanerin nickte mechanisch, ging dann zu dem Fahrgeschäft zurück und bückte sich. Kluftinger fürchtete schon, sie müsse sich übergeben, doch sie hatte nur seinen Schlumpf aufgehoben und drückte ihn dem Kommissar mit den Worten »Den hättest du beinahe vergessen« in die Hand.
»Ja, mei, das wär ein Unglück gewesen«, entgegnete er und entfernte sich schnellen Schrittes vom Autoscooter.
»So, Papa Schlumpf ist auch wieder da.« Markus klopfte seinem Vater kumpelhaft auf die Schulter, als sie wieder zu ihnen stießen.
» Jesses , Miki, ist dir schlecht?«, rief Erika besorgt, als sie ihre zukünftige Schwiegertochter erblickte. Dann sah sie mit einem verwirrten, aber irgendwie auch hoffnungsfrohen Blick zu ihrem Sohn, der jedoch sofort abwinkte: »Mach dir keine Hoffnungen, Oma. Noch passen wir auf beim …«
»Jetzt erspar uns doch mal die ganzen Details immer, Herrgottzack!«, schimpfte der Kommissar.
»Und, wie war die Spritztour mit dem alten Meisterbumser?«, wollte Markus wissen und nahm seine Freundin in den Arm.
»Nett«, entgegnete Yumiko einsilbig.
»Fährt halt wie ein Rentner, oder?«
»Nein, gar nicht. Ganz … flott, eigentlich.«
Kluftinger entspannte sich innerlich. Sie schien dichtzuhalten. Er nahm seiner Frau den Zuckergussapfel aus der Hand und biss ein paarmal herzhaft hinein. War schließlich gesund, immerhin handelte es sich um Obst, auch wenn ihm die klebrige Glasur in den Zähnen hängen blieb.
»Also, geh’n wir weiter«, sagte Erika und setzte sich in Bewegung, wurde
Weitere Kostenlose Bücher