Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
Vom Netzwerk:
flöße Strom durch sie hindurch.
    »Siehst du das da? Sieh g enau hin!«
    Auf den Trittstufen klebte Blut, F ußabdrücke. Amelie startete den verzweifelten Versuch, sich von Loan loszureißen, doch er gab nicht nach. Er stieß sie vor sich her, schubste sie gegen die Treppe. »Geh hinauf!«
    Amelie wand sich in seinem Griff wie ein Aal. »Nein!« Sie trat mit dem Fuß gegen sein Schienbein, aber er schien keinerlei Schmerzen zu spüren. Er lachte ihr nur ins Gesicht.
    »Leif!« Amelie kreischte nun beinahe hysterisch. »Leif! Wo bist du?«
    »Er kann dir nicht helfen. Seine Kraftquelle ist nicht halb so stark wie meine, dieser naive Jüngling, den zu Jarik nennst. Und nun geh, ich verliere die Geduld!«
    Das Licht im Flur flackerte nun so heftig wie die Blitze eines heftigen Sommergewitters, erlosch teilweise komplett, um dann heller aufzuleuchten als zuvor. Eine der Trittstufen zerfiel innerhalb eines Sekundenbruchteils zu Asche, so schnell war es bislang noch nie vonstatten gegangen. Leif bezog seine Energie aus dem Haus, Loan hingegen von seinem Nährer. Die Zerstörung musste demnach auf Leif zurückgehen, der verzweifelt versuchte, ins Diesseits zurückzukehren. Amelie wusste nicht, wie Loan es geschafft hatte, ihn auszusperren. Es war eine Demonstration seiner Macht.
    »Geh, oder muss ich dich an den Haaren hinaufze rren?« Loan stieß sie heftig gegen die Treppe, sie fiel nach vorne und stieß sich den Kopf. Widerwillig erklomm sie eine Stufe nach der anderen, übersprang jene, die zu Asche zerfallen war. Wie in Trance trat sie auf den Dachboden, versuchte, ihre Gefühle vor allem zu verschließen, was noch kommen würde. Es wunderte sie nicht, dass Loan vor ihr oben auftauchte, obwohl er nur Sekunden zuvor noch hinter ihr im ersten Stock gewesen war. Er stand - vielleicht unwissentlich - neben dem an der Wand lehnenden Portrait des alten Mannes, jene Stelle, an der Amelie auf den ersten Hinweis auf Loans Existenz gestoßen war - und es zutiefst bereute, ihre Nase hineingesteckt zu haben.
    Sie wollte sich zwingen, ihm fest in die Augen zu s ehen, nichts anderem im Raum ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Doch es war unmöglich. Ihr Blick wurde abgelenkt, weil der Raum ganz anders aussah, als sie ihn in Erinnerung behalten hatte.
    »Sieh es dir nur genau an.« Loan grinste, böse und hinterhältig. Amelie bemerkte, dass er seinen scheußl ichen gestreiften Pullover gegen ein schwarzes Hemd getauscht hatte. Seine Haare waren ordentlich zurückgekämmt, und ebenso nass wie die von Leif.
    Es schien, als hätte jemand seit i hrem letzten Besuch aufgeräumt, der Raum wirkte viel leerer als zuvor. Vielleicht lag es auch daran, dass die meisten Dinge inzwischen zu Asche zerfallen waren, zumindest deutete eine fingerdicke graue Pulverschicht auf dem Boden darauf hin. Lediglich zwei der großen Truhen waren übriggeblieben. Das Dachgeschoss war so groß und geräumig, dass man ohne große Mühe einen schnellen Wiener Walzer hätte tanzen können, hätten einen die Dachschrägen nicht daran gehindert.
    Amelie s Blick fiel auf eine der beiden lotrechten Wände, jene, die dem angelehnten Portrait gegenüber war. Jemand hatte ein seltsames Bild direkt auf die Holzvertäfelung gemalt, es reichte bis in den spitzen Winkel des Daches hinauf. Der Künstler hatte nur eine einzige Farbe verwendet, ein dunkles Rotbraun. Amelie erkannte es sofort, der lächerliche Versuch, das berühmte Gemälde eines großen norwegischen Malers nachzuahmen. Die expressionistische Darstellung eines Menschen, der die Hände zum Gesicht erhob. Er stand an einer Brücke, darüber ein gestreifter Himmel.
    Der Schrei . So lautete der Name des Gemäldes. Doch dem Mann an der Brücke fehlte das Gesicht, es war unvollständig. Amelie drehte sich um. Loan verengte die Augen zu Schlitzen und lächelte schief.
    »Ein Meisterwek, nicht wahr? Du liebst doch Kunst, Amelie, das stimmt doch, oder?« Er machte eine Pause. Erwartete er eine Antwort? Amelie blieb stumm.
    »Leider ist mir die Farbe ausgega ngen. Deine dünne Freundin Sara hatte nicht besonders viel Blut in sich. Aber ich werde es fertig stellen, das verspreche ich dir. Ein paar Tropfen kannst du mir sicher borgen, nicht wahr?«
    »Sara? Was ist mit Sara?« Amelie räu sperte sich, ihre Stimme klang belegt. Nie zuvor war ihr das Atmen so schwer gefallen. Es war ihr immer wie etwas Selbstverständliches erschienen, doch dem war nicht so.
    Loan sagte nichts, deutete nur auf eine der großen Truhen. Als

Weitere Kostenlose Bücher