Herzen aus Asche
zu sehr auf in letzter Zeit. Außerdem stehen dir verheulte Augen nicht. Du bist viel zu hübsch, um ständig zu flennen.«
Im ersten Moment war sie unfähig, darauf zu reagi eren. Nahm er sie etwa nicht ernst? Oder hatte Leif einfach nur resigniert? Empörung machte sich in ihr breit.
»Ich muss dich wirklich beglückwü nschen, Amelie«, fuhr er fort. »Du bist nicht nur eine schöne, sondern auch eine starke Frau. Ich bewundere deinen Mut und deine Klugheit. Das habe ich dir bislang noch nie gesagt.«
Der Blick in seinen Augen ließ Amelies Wut dahi nschmelzen wie Eis in der Sonne. Solche Worte war sie nicht von ihm gewohnt. Sie fühlte sich geschmeichelt und spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Sie liebte ihn, mehr, als sie jemals jemanden geliebt hatte.
»Interessiert es dich denn gar nicht, dass ich nun weiß, wer mich töten wol lte? Ich ...«
Er ließ sie den Satz nicht vollenden, weil er ihr sanft einen Finger auf die Lippen legte.
»Schsch. Immer mit der Ruhe. Natürlich interessiert es mich, und du solltest froh darüber sein, der Lösung unseres Problems einen Schritt näher gekommen zu sein. Du weißt nun, wem du aus dem Weg gehen musst.«
Er legte seinen Finger unter ihr Kinn, hob es an und beugte sich zu ihr hinab. Er küsste sie, zuerst sanft, dann fordernder. Seine Hand glitt ihren Rücken hinab und umfasste ihren Po. Amelie wollte seinen Kuss erwidern, sich ihm hingeben, aber sie konnte nicht. Ihr Kopf war voll von Gedanken, und sie fühlte sich nicht imstande, ihre Probleme auszublenden. Die Situation erschien ihr vollkommen surreal.
Als er seine Zunge zwischen ihre Zähne drängte, drückte sie ihn von sich weg. »Leif, ich kann jetzt nicht! Bitte nimm Rücksicht. Mir sitzt ein Schock tief in den Gliedern. Wir sollten stattdessen lieber darüber diskutieren, was wir als nächstes tun können. Ich kann nicht zulassen, dass Loan meinen Freund aussaugt wie eine Zitrone und dabei noch weitere Menschen umbringt. Vielleicht ist dir das als Geist nicht besonders wichtig, mir hingegen schon.«
»Bla bla bla.« Leifs Blick verfinsterte sich, und mit e inem Mal wirkte er völlig fremd. Amelie trat erschrocken einen Schritt zurück.
»Weshalb müsst ihr Menschen immer über alles disk utieren?« Er schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Es ärgert mich beinahe, dass du trotzdem noch die Zeit gefunden hast, den »Fall«, wie du es nennst, zu lösen.«
»Leif? Was ist los?« Ihre Stimme war nicht mehr als ein ersticktes Flüstern.
»Was los ist? Geh mal nach oben in dein Schlafzi mmer, dann siehst du, was los ist.«
Verwirrt ging an Amelie an ihm vorbei die Treppe hinauf. Eine der Stufen knarrte und knisterte. Als sie darauf trat, zerfiel sie zu Asche. Sie wäre beinahe hinunter gefallen, hätte sie sich nicht am Geländer festgehalten. Das Licht flackerte stärker als zuvor. Amelie steuerte mit zittrigen Knien auf ihr Zimmer zu. Die Tür war angelehnt. Was hatte er damit gemeint? Tief in ihrem Inneren hoffte sie, dass er eine Überraschung vorbereitet hatte, um ihr eine Freude zu bereiten und dass sein seltsames Verhalten nur seinem Humor zu verschulden war, um sie absichtlich in die Irre zu führen.
Vorsichtig stieß Amelie die Tür nach innen auf. Ihr Blick huschte über ihr Bett, den Kleiderschrank, die A nrichte. Nichts Ungewöhnliches. Das Witchboard lag noch immer auf dem Boden, wo sie es zurückgelassen hatte. Sie ging zwei Schritte weiter. Diesmal fiel ihr auf, dass die Bettdecke sich stark nach oben wölbte, als läge jemand darunter. Sie drehte sich über die Schulter hinweg um. Leif war ihr nicht gefolgt, zumindest zeigte er sich nicht.
Mit pochendem Herzen griff Amelie nach der Decke und zog sie mit einem Ruck beiseite. Sie glaubte, oh nmächtig zu werden. Schwindel überfiel sie, ihre Beine gaben für die Dauer eines Herzschlags nach, die Knie knickten ihr ein und sie stolperte einen Schritt zur Seite. Sie würgte, aber in ihrem leerem Magen befand sich nichts, das sie hätte ausspucken können. Es lag jemand in ihrem Bett, auf dem Rücken. Die langen blonden Haare, die zu einem Zopf geflochten auf der nackten Brust ruhten, waren rot getränkt von Blut. Die Frau war nackt, beraubt sämtlicher Würde.
»Mama«. Ihre Stimme klang höher als sonst und so verzerrt, dass Amelie sie selbst nicht erkannte. Sie ta umelte zurück. Die helle Bettwäsche und die Matratze hatten sich mit Blut vollgesogen.
Sie zwang sich, ihren Blick von ihrer Mutter abz
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