Herzen aus Asche
führte es nahe an ihres heran.
»Da ist kein Wasser, hörst du? Es ist nicht da!«
Leif nickte zaghaft, und nur eine Sekunde später war der Spuk vorbei, der Wasserfall verschwunden. Sie saßen wieder auf dem Parkettboden - und zwar auf trockenem Parkettboden.
Über ihren Köpfen knarrte und krachte es, dann ein ohrenbetäubender Knall. Die Wände bebten, aus der Luke zum Dachboden wälzte sich eine dichte Staubwo lke hinab. Amelie hustete. Als sich der Staub legte, waren ihre Haare grau von Asche.
»Was war das?« Sie sprang auf und drängte sich mit dem Rücken an eine Wand. Leif, der den Schock allmählich abschüttelte, stellte sich neben sie.
»Das Dachgeschoss stürzt ein. Die Villa wird zerfa llen, komplett. Und wenn die Villa passé ist, muss ich auch gehen. Das ist Loans Plan.«
Amelie stürzte zur Treppe, lehnte sich über die Brü stung des Geländers und sah hinab. Jarik lag rücklings auf dem Mosaikboden neben der umgestürzten Marmorstatue, seine Augen waren geschlossen.
»Wo ist Loan jetzt?«, rief sie Leif über die Schulter hinweg zu.
»Er hat seine Gestalt aufgelöst und beobachtet uns aus jeder Pore der Villa. Ich spüre, wie er sie mit seinem Wesen vergiftet. Ein ekelhafter Poltergeist. Er will uns in den Wahnsinn treiben, ehe er uns tötet.« Leif wählte anscheinend bewusst das Wort uns , weil ihm bewusst geworden war, dass mit dem Untergang der Villa auch er dazu verdammt sein würde, wie Jacob Conolly auf ewig in der Dunkelheit der Zwischenwelt umherzuirren, was dem Tod, wie sich ihn die meisten Menschen vorstellten, sicherlich sehr nahe kam.
Amelie rannte die Treppe hinunter. Sie ließ sich neben Jarik hart auf die Knie fallen. Sie schüttelte ihn sanft an den Schultern. Er öffnete die Augen zu schmalen Schli tzen, bewegte sich ansonsten jedoch nicht. Eines seiner Beine stand in einem unnatürlichen Winkel von seinem Körper ab. Es war gebrochen. Weshalb ging Loan so unverantwortlich mit seinem Nährer um, jener Quelle, die ihm die Macht verlieh, überhaupt ins Diesseits einzugreifen? Vermutlich näherte sich Loans Rachefeldzug seinem Ende ... Es fehlte nur noch eine Kleinigkeit -
Amelie.
»Jarik?«
Er stöhnte.
»Wieso ...« Amelie konnte nicht weite rsprechen, denn Tränen erstickten ihre Stimme. Hinter ihr hörte sie, wie Leif ebenfalls die Treppe herunterkam, aber hinter ihr stehen blieb.
»Ich bin nur neugierig gewesen«, sagte er heiser. »Ich habe nie geahnt, dass ...« Er atmete einmal schwer ein und aus, es klang wie das Röcheln eines schwer Verlet zten. Vielleicht hatte er sich bei seinem Sturz die Rippen gebrochen oder Organe gequetscht.
»Ich habe den Geist gesehen, damals auf deiner Party. Ich bin so fasziniert gewesen. Ich habe tatsächlich eine Platte mit einem Runenspruch in der Kirche gefunden. Ich habe das doch nie gewollt! Er ist in meinen Körper gefahren, manchmal. Meistens hat er jedoch allein gehandelt, hat all die Menschen getötet und keine Spuren hinterlassen. Ich konnte es nicht verhindern,« Jarik hob den Blick, als hätte etwas, das sich hinter Amelie befand, seine Aufmerksamkeit erregt. Sie fuhr herum. Leif stand dort, das Küchenmesser locker in der Hand haltend. Er sah emotionslos auf sie hinab. Jarik war ebenfalls ein Seher, für ihn war Leif mehr als ein elektromagnetisches Feld paranormaler Herkunft. Jarik schloss die Augen und sog die Luft geräuschvoll durch seine Zähne ein. Er atmete unregelmäßig.
»Leif, was hast du mit dem Messer vor?«
»Das einzig Richtige. Den Nährer töten, bevor
Loan dich tötet.«
»Nein!«, schrie Amelie und warf sich schützend über Jariks Körper. Sie wollte nicht wahrhaben, dass Leif nur aus Ve rnunft handelte. Es durfte nicht wahr sein!
Leif machte einen Schritt nach vorn und hob das Messer, in seinen Augen funkelten Tränen. »Sei vernünftig, Loan wird ...« Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn in diesem Moment tauchte sein böser Zwilling direkt hinter ihm auf. Er trat mit dem Fuß gegen seine Hand, sodass das Messer scheppernd zu Boden fiel. Ein heimtückischer Angriff von hinten, mit dem Leif nicht gerechnet hatte. Jarik stöhnte und zitterte, weil Loan die Kraft, sich zu materialisieren, aus seinem Nährer bezog.
Loan packte mit beiden Armen von hin ten um Leif herum und versuchte, ihn zu Boden zu drücken. Leifs Erscheinung flackerte, aber er löste sich nicht auf.
»Vergiss es!«, bellte Loan. »Ich halte dich fest, du kannst dich nicht verpi ssen! Und jetzt mach ich dich fertig,
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