Herzen aus Asche
bereits verblasste wie ein schlechter Traum. Als sie im Bett lag und an die Decke starrte, war sich Amelie nicht einmal sicher, ob sie sich die geisterhafte Stimme nicht doch eingebildet hatte.
Zu Vermieten!
zwei Jahre später
»Ist noch etwas von der Luftpolsterfolie übrig?« Marie wischte sich mit dem einem Zipfel ihrer blauen Seidenbluse den Schweiß von der Stirn. Amelie konnte nicht nachvollziehen, weshalb ihre Freundin an einem warmen Sommertag ein Oberteil mit langen Ärmeln trug. Marie mochte die Bluse, sie brachte ihre üppige Oberweite optimal zur Geltung, doch das Kleidungsstück eignete sich mitnichten für einen schweißtreibenden Umzug.
Amelie griff in die Bananenkiste, die Marie aus dem Supermarkt mitgebracht hatte, und zog ein etwa ein Quadratmeter großes Stück der begehrten Verpackung sfolie heraus. »Das ist der letzte Rest.«
»Vielleicht komme ich damit aus. Ich muss nur noch ein paar Gläser damit einschlagen.« Marie griff in einen Umzugskarton und förderte drei Sektgläser z utage, die sie sorgfältig in die Folie wickelte. Amelie saß auf dem Boden, die Füße unter den Po geklemmt. Marie hatte die meisten ihrer persönlichen Sachen bereits aus der gemeinsamen Wohnung geschafft, sie war inzwischen so leer, dass jedes Wort von den Wänden widerhallte. Amelie erfüllte es mit Traurigkeit. Weniger als zwei Jahre lang hatten sie sich eine Unterkunft geteilt, ein schnuckeliges Apartment unter dem Dach eines ruhigen Mehrfamilienhauses in bester Lage zur Universität. Jetzt lag das schöne Leben in Scherben vor ihren Füßen. Amelie gab sich größte Mühe, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, immerhin konnte sie Marie keinen Vorwurf machen. Sie erwartete ein aufregendes Leben. Weshalb sollte sie sich Gedanken darüber machen, was aus Amelie wurde? Sie konnte keine Rücksicht darauf nehmen, dass sie Amelie Miete allein nicht tragen konnte und womöglich zurück zu ihrer Mutter in die kleine Wohnung ziehen musste. Es gab Schlimmeres.
»Ist das der letzte Karton?«, fragte Amelie. Sie konnte den Schwermut in ihrer Stimme kaum verbe rgen.
»Ja, alle anderen stehen schon bei meinen Eltern in der Garage. Die meisten meiner Sachen nehme ich nicht mit. Man stellt mir in Paris eine möblierte Unterkunft.« Maries Augen funkelten vor Stolz und Amelie rang sich ein Lächeln ab. Sie freute sich wirklich für sie, doch die Sorge um ihre eigene Zukunft dämpfte ihre gute Laune.
»Hast du keine Angst, du könntest dort nicht zurechtkommen? Immerhin sprichst du nicht fließend französisch.« Amelie bewunderte Marie für ihren Mut, diesen Schritt zu tun. Sie selbst hätte sich das womöglich nicht getraut.
»Bevor in Frankreich das neue Semester beginnt, we rde ich einen Sprachkurs belegen. Ich habe die ganzen Ferien dazu Zeit. Und es ist doch nur für ein Semester, ich gehe nicht für immer, Amelie.« Marie setzte sich neben ihre Mitbewohnerin auf den Boden und legte einen Arm um ihre Schultern. »Kopf hoch. Wenn ich wieder da bin, starten wir von vorne. Dann stehen uns immer noch mindestens vier lange gemeinsame Semester bevor. Aber ich kann mir diese Chance einfach nicht entgehen lassen. Ein Stipendium! Ich kann es kaum fassen.« Ihre Euphorie wirkte beinahe ansteckend, und auch Amelie schob ihren Seelenschmerz vorerst beiseite. Marie hatte recht. Sie würde bald wieder da sein. Außerdem hatte Amelie noch Sara, Mikael und Jarik, die sie hinreichend beschäftigen würden. Es war nur schade um die Wohnung ... Amelie besaß nicht genügend Geld für eine eigene, und die Miete für ein Zimmer im Studentenwohnheim von Uppsala kostete mindestens viertausend Kronen. Ihre Mutter konnte sie mit höchstens zweitausend Kronen unterstützen, und ein Ferienjob taugte allenfalls dazu, sich neue - leider ebenfalls sehr teure - Fachbücher zu kaufen. Sara lebte mittlerweile bei Mikael, und ihre anderen Freunde wollte sie nicht darum anbetteln, bei ihnen wohnen zu dürfen. Wie erniedrigend! Nein, sie würde wohl oder übel zu ihrer Mutter zurück gehen. Bis Ende des Monats lief der Mietvertrag noch. Bis dahin musste Amelie die Entscheidung getroffen haben.
»Wann wirst du abgeholt?«
»Meine Schwester müsste jeden Moment hier sein. Wir bringen die letzte Kiste in die Garage und heute Abend sitze ich dann schon im Flieger.« Marie quietschte vergnügt wie ein kleines Kind am Weihnachtsabend. Ein Auslandssemester in Paris würde ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich steigern, und obwohl Amelie
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