Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
genug. Schon als kleines Mädchen musste Iris immer im Mittelpunkt stehen. Sie unterhält gern andere und liebt es, verwöhnt zu werden. Sie weiß, dass du ihr aus der Hand frisst.« Sie tippte sich an die Nase. »Aber ich weiß auch, dass sie auf der Zugfahrt von nichts anderem als von Edward Sinclair gesprochen hat. Letzten Abend war es übrigens genauso … Ivan Chalmers hat sie mit keinem Wort erwähnt.« Ihre dunklen Augen funkelten belustigt.
»Und das sagst du nicht nur, um mich zu trösten?«
Sie lachte. »Wir konnten sie den ganzen Abend zu keinem anderen Thema bewegen.«
»Aber mir gegenüber verhält sie sich so, als würde sie keinen einzigen Gedanken an mich verschwenden.«
Jetzt sah Flora ihn mit einem wissenden Blick an. »Dann hat sie das, was ich ihr beizubringen versucht habe, wirklich gut verinnerlicht, nicht wahr? Keine meiner Töchter sollte eine Rose werden, die leicht zu pflücken ist. Jetzt liegt es an dir, Ned. Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass es da nicht eine ganze Reihe von jungen Männern gibt, die sich für Iris interessieren. Einige schwärmen schon seit Jahren für sie.«
»O Gott.« Ned war schlagartig ernüchtert.
»Du brauchst dir aber keine Sorgen zu machen. Iris ist nicht auf den Kopf gefallen.« Ned nickte unglücklich. Flora tätschelte seine Hand. »Du musst sie einfach nur davon überzeugen, dass du die beste Wahl bist. Ich zähle auf dich … und ich werde dich unterstützen, wo und wann es mir möglich ist.«
Floras Worte munterten ihn wieder etwas auf. »Ich werde einfach in der Nähe bleiben … und geduldig sein.«
»Guter Junge! Jetzt aber solltest du besser nach Hause gehen und zusehen, dass du ein paar Stunden Schlaf bekommst. Es tut mir leid, dass ich dich wegen ein paar alberner kul-kuls aus dem Bett geholt habe, aber dies war eine Gelegenheit, die ich nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte.«
»Das war es wert. Ganz bestimmt!« Er sprang mit frischem Mut die Treppe hinunter. »Dann also bis Dienstagabend.«
»Oh, Ned? Noch ein Rat! Rede nicht zu viel über deinen Freund Jack Bryant, ja?«
»Aha?«
»Er ist, was Frauen angeht, gefährlich … Iris hat sich schon immer zu Leuten hingezogen gefühlt, die nicht dem gängigen Muster entsprechen. Deshalb hast du auch mit Sicherheit nichts von Ivan Chalmers zu befürchten. Er ist nämlich so vorhersehbar wie der Monsun.«
»Jack ist genau das Gegenteil«, flüsterte Ned.
»Eben.«
Aber was sagt das über mich aus?, fragte sich Ned im Stillen.
Jack war hundemüde, aber die Anweisung, dass er sich nach seiner Schicht im Büro des Chefs melden solle, durfte er nicht ignorieren. Er war in Gedanken die letzten Arbeitstage durchgegangen, konnte sich jedoch an nichts Außergewöhnliches erinnern. Soweit er wusste, hatte es weder Fehler noch Beschwerden gegeben. Auch im privaten Bereich war er sich sicher, nichts falsch gemacht zu haben. In den letzten Wochen hatte er sich nur ab und an zu einem Rendezvous verabredet, und er konnte sich nicht daran erinnern, jemanden beleidigt oder brüskiert zu haben. Obwohl er gern für sich allein blieb, hatte er vor Kurzem bei einem Fest geholfen, die gymkhana -Tribüne zu bauen. Er hatte an Dr. Walkers Auto das Rad gewechselt, als dieser in der Nähe von Nundydroog liegen geblieben war. Von Geraldine Walker, die ihm schöne Augen gemacht hatte, hatte er sich bewusst ferngehalten, was ihm zugegebenermaßen nicht übermäßig schwergefallen war – keines der Walker-Mädchen war besonders hübsch. Er würde sich deshalb auch erst ein Urteil über Iris machen, wenn er sie kennengelernt hatte.
Er fand es schade, dass er Ned in den vergangenen Tagen nicht hatte sehen können, um zu erfahren, wie das Treffen am Bahnhof gelaufen war.
Jack hängte seinen Overall auf und überprüfte sein Erscheinungsbild im Spiegel des Umkleideraumes. Man konnte ihn wohl kaum als gepflegt bezeichnen, aber er sah auch nicht unordentlich aus. Unrasiert, ja, stellte er fest, als er sich mit der Hand über das stoppelige Kinn fuhr, aber das war jetzt nicht mehr zu ändern. Er verabschiedete sich von den Kollegen der folgenden Schicht und versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken.
Jack verließ den Maschinenraum und ging mit schnellen, ent schlossenen Schritten über den Hof auf das große Ziegelgebäude zu, das ein gutes Stück vom Schacht entfernt lag. Er stieg die Treppe zur schattigen Veranda hinauf und fuhr sich noch einmal durch die Haare. Dann ließ er den Blick über die Türen
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