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Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Titel: Herzen aus Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona McIntosh
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völlig entspannt war, fest ein, küsste seinen Freund zärtlich auf die Stirn und ging dann stumm von dannen. Gerade als er wieder mit seinem Abstieg in die Grube begann, hörte er eine Frau laut schreien, aber er sagte sich, dass das die verzweifelten Schreie jeder beliebigen Frau sein konnten. Heute waren so viele Söhne Cornwalls gestorben.
    Er wagte es nicht, stehen zu bleiben, versuchte, den Gedanken, dass es Billys Mutter war, die um ihren Lieblingssohn trauerte, aus seinem Kopf zu verdrängen. Mehr noch, Jack weigerte sich zu glauben, dass Billy tot war. Er nahm sich vor, einfach weiterzumachen, die Männer zu finden, die dieser Maschine auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen waren, und nicht zu ruhen, bis er über den Verbleib und den Zustand eines jeden Einzelnen von ihnen Rechenschaft ablegen konnte.
    Viele der Männer, die er nach oben getragen hatte, starben jedoch kurz nachdem er sie ihren Familien übergeben hatte. Es kam ihm so vor, als hätten sie gerade noch lange genug durchgehalten, um die frische Luft auf ihrer Haut zu spüren und noch einmal die Gesichter ihrer Lieben zu sehen.
    Und mit jedem Mann, den er verlor, wurde der Schmerz in Jacks Herzen größer und seine Seele finsterer.
    Fünf Tage später beerdigten mehr als dreißig Familien in der kleinen Gemeinde St. Just ihre Männer. Fünf der tödlich Veru nglückten kamen aus Jacks eigenem Dorf, in dem es jetzt frost ig und still geworden war. Überall in der Umgebung fanden Begräbnisse statt, während Dutzende von Familien ihre schwer verletzten Angehörigen pflegten. Viele davon würden für immer Invaliden bleiben, und auch wenn die Frauen froh waren, dass ihre Männer, Väter, Brüder oder Söhne noch lebten, würden diese nie mehr zum Unterhalt ihrer Familien beitragen können. Ihnen drohte in Zukunft bittere Armut.
    Ein neunjähriger Junge hatte fast drei Tage lang auf dem Bauch unter der Leiche seines Vaters begraben gelegen und in tiefster Dunkelheit auf Sohle neunzig ausgeharrt. Als man den Jungen geborgen hatte, stellte sich heraus, dass er selbst nur leicht verletzt war, doch er hatte die Fähigkeit zu sprechen verloren.
    Diejenigen, die nur Knochenbrüche und Prellungen davongetragen hatten, und vor allem die Bergleute, die ohne sichtbare Verletzungen geblieben waren, fühlten sich schuldig und vermieden es peinlichst, Aufmerksamkeit wegen ihrer Leiden auf sich zu ziehen. Über Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindelgefühle, selbst über die vereinzelten Fälle von – wie die Angehörigen glaubten – Wahnsinn wurde kein einziges Wort verloren. Angesichts der vielen Toten schienen das alles nur Kleinigkeiten zu sein, die keinerlei Beachtung verdienten.
    Die entsetzlichen Ereignisse jenes Tages lasteten schwer auf den Straßen von St. Just, und hinter jeder Ecke warteten Trauer und Leid.
    Jack hatte die Mine seit dem Unglück nicht mehr verlassen. Er wollte seiner Familie nicht gegenübertreten und hoffte außerdem, die Dämonen, die ihn quälten, im Zaum halten zu können, wenn er jede Stunde, die Gott ihm schenkte, auf die Rettungsarbeiten verwendete.
    Heute jedoch kamen die Einwohner von Pendeen zusammen, um einen weiteren der Ihren zu begraben. Jack war nach Hause gegangen, um zu baden, sich zu rasieren und seinen dunklen Anzug anzuziehen, der wie ein Sack an seinem plötzlich abgemagerten Körper hing. Seine Mutter war nirgendwo zu sehen. Das laute Ticken der Standuhr hatte nicht nur seine tröstliche Vertrautheit verloren, sondern auch der bereits über mäßig angespannten Atmosphäre einen unheilvollen Klang ver liehen.
    Vor dem Arbeitszimmer seines Vaters holte Jack tief Luft, strich sich sein mit Pomade frisiertes Haar glatt, räusperte sich und klopfte dann an.
    Schließlich öffnete Charles Bryant die Tür. Trotz seines streng geschnittenen dunklen Anzugs und des makellos weißen Hemds sah auch er völlig gebrochen aus. Einen Moment lang flammte in Jack die Hoffnung auf, dass sie durch dieses entsetzliche Unglück eine Gemeinsamkeit gefunden hätten, etwas, das nur Bergleute miteinander verband.
    »Dad, ich …«
    »Jetzt nicht, bitte.«
    Jack schwieg, aber er hätte seinem Vater am liebsten mit geballten Fäusten auf die Brust geschlagen, weil er selbst diese Gelegenheit, sich aufeinander zuzubewegen, ungenutzt verstreichen ließ.
    Ohne ein Wort gingen sie nebeneinander den Hügel hinunter. Ihr Gang und ihre Schritte waren fast identisch, obwohl Jack der Größere von beiden war.
    »Deine Mutter ist schon

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