Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
Den Rest seiner Arbeitszeit würde er damit verbringen, die Routinekontrollen des S chwungrades und die sonstigen Wartungsarbeiten durchzuführen. Es war eine Arbeit, die ihn vollkommen in Anspruch nahm und bei der er allein war – genau das, was er jetzt brauchte.
»Hol die Männer zum Schichtwechsel rauf, dann bist du fertig. Ich will, dass du sofort gehst, Bryant. Es ist mir egal, wie dein Gesicht aussieht. So etwas darf nicht noch einmal vorkommen.«
»In Ordnung«, sagte Jack und widerstand dem Drang, seine schmerzenden Schwellungen zu berühren. »Obersteiger Jenner … ich, äh, das von heute Morgen tut mir leid.«
Die Glocke ertönte. »Schon gut, Bryant. Du bist mir keine Erklärung schuldig, mein Sohn. Holen wir die Kumpel hoch; sie werden froh sein, aus dem Schacht zu kommen.«
»Wird gemacht«, sagte Jack, dankbar für das Verständnis, das der Obersteiger ihm entgegenbrachte, dann zog er seine Handschuhe an und griff nach den Hebeln.
Jenner ging, als Pearce eintraf, um seine Schicht neben Jack anzutreten. »Mach keinen Ärger, Pearce. Sollte mir irgendetwas zu Ohren kommen, hast du länger als nur eine Schicht Pause«, ermahnte er ihn.
Pearce nickte. »Ich habe Bryant nichts mehr zu sagen.«
»Dann belass es dabei.«
Jack ignorierte Pearce und begann mit der Abfolge von Hebelbewegungen, die die Dampfmaschine dazu bringen würde, das Seil aufzuwickeln, das Dutzende von Männern nach oben beförderte. Er stellte sich vor, wie sie sich den Schweiß aus den Augen wischten und müde von den Plattformen, die Söller genannt wurden, auf die Trittstangen stiegen, welche sie mit jedem Hub der Maschine in Drei-Meter-Schritten nach oben holten. Es war ein langwieriger Prozess.
Jack warf einen Blick aus dem Fenster und wartete darauf, dass die ersten Kumpel heraufkamen. Nach ihrer harten Arbeit in den heißen Tunneln würden sie verdreckt und völlig erschöpft sein. Jack stellte sicher, dass in der Zementwanne, die in den Boden des »Trockenraums« eingelassen war, stets warmes Wasser zur Verfügung stand, damit sie sich säubern konnten, während ihre Kleidung trocknete. Dazu breiteten die Männer ihre Sachen über den riesigen Rohren aus, durch die der Dampf von den Kesseln zur Maschine in der Mine geleitet wurde. Die Bergarbeiter konnten sich in dem warmen Raum eine kurze Ruhepause auf der langen Bank gönnen, bevor sie sich im eiskalten Wind auf den Heimweg machten.
Während Jack auf das letzte Signal wartete, stellte er sich vor, wie froh Billy und seine Kollegen am Ende einer jeden Schicht sein mussten, wenn sie nach so vielen Stunden in der Dunkelheit endlich wieder das Tageslicht sahen.
Jack hörte die Glocke. Zeit, sich an die Arbeit zu machen. Er begann, die Hebel zu bedienen, wobei er kurzzeitig glaubte, ein ungewöhnliches Ächzen in der Maschinerie zu vernehmen. Stirnrunzelnd fragte er sich, ob das Geräusch von den Gegengewichten oder von den Balken kam. Er hielt inne, weil er hoffte, das Ächzen noch einmal zu hören, aber da war nichts, also begann er wieder, die Hebel zu bedienen. Während er arbeitete, versuchte er sich den ganzen Prozess bildlich vorzustellen, malte sich aus, wie sich die Stangen nach unten bewegten und kurz anhielten, während immer mehr Männer in die Fördermaschine einstiegen. Und so ging es weiter. Er lauschte auf die Glocke, die ihm das Signal gab, fortzufahren. Jedes Mal, wenn sie ertönte, brachte Jack die Bergleute ihren Familien ein Stück näher.
Wieder warf er einen Blick auf die Anzeigen. Die Maschine arbeitete reibungslos, viereinhalb Hübe pro Minute, genau wie es sein sollte. Das merkwürdige Geräusch, das er vorhin gehört hatte, war offensichtlich ohne Bedeutung gewesen.
Plötzlich – und vollkommen ohne Vorwarnung – machte die Maschine einen Ruck und wurde schneller. Es blieb keine Zeit zum Überlegen, nur zum Reagieren.
Mit einem Schlag wurde Jack zum Sklaven der Maschine, wobei er sich genau an das hielt, was er gelernt und so lange geübt hatte, bis er es blind beherrschte. Ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu zögern, ließ er die Maschine rückwärtslaufen, um den Dampf abzustellen. Er handelte absolut vorschriftsgemäß, aber nichts, was Jack jetzt noch tun konnte, hätte die Katastrophe verhindern können.
Wenngleich es ihm wie eine Ewigkeit vorkam, dauerte es nur wenige Augenblicke, bis das große Antriebskegelrad eine Dreiviertelumdrehung vollführte und bebend zum Stehen ka m. Ein ganz und gar unbekannter Ton, ein helles
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