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Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Titel: Herzen aus Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona McIntosh
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Kreischen erfüllte jetzt den Raum, gefolgt von einem beängstigenden Vibrieren, als sich ein unheilvoller Riss im nicht sichtbaren Metall ausbreitete, die Schmiedearbeit spaltete und die Konstruktion auseinanderriss, so dass sich die Maschine wenige Augenblicke später von ihrer Last befreite.
    Jack machte einen entsetzten Satz rückwärts, als geschätzte vierundzwanzig Tonnen Mann und Gerät aus der Verankerung gerissen wurden und in einer grässlichen Lawine aus Holz, Metall, Fels und Fleisch in die Tiefe stürzten.
    Jenner stürmte brüllend in den Maschinenraum, aber Jack nahm nicht wahr, was er schrie. Pearce stand am Fenster, starrte hinaus und versuchte vergeblich zu erkennen, wie viele Män ner noch an der Oberfläche waren.
    »Die Maschine ist kaputt«, sagte Jack vollkommen ungläubig. »Sie ist kaputt«, wiederholte er, viel zu schockiert, um sich auch nur annähernd ausmalen zu können, was sich tief unter ihm gerade abspielte.
    »Bryant«, schrie Jenner.
    Jack blickte benommen auf. Seine Lippen waren blutleer. Sein Gesicht war so weiß wie sein Hemd, das trotz der Kälte plötzlich schweißnass war. »Sie ist kaputt, Sir«, wiederholte er noch einmal.
    »Dann alle Mann zum Schacht«, brüllte der Obersteiger. »Da unten wird es ein Blutbad gegeben haben!«
    Unter Tage hatte sich das Tor zur Hölle geöffnet. Ältere Männer und junge Burschen lagen mit zerschmetterten Gliedern sterbend unter tonnenschwerem Gestein, Maschinenteilen un d anderen Gerätschaften. Diejenigen, die mehr Glück gehabt hatten, waren auf der Stelle tot gewesen, waren auf den unteren Sohlen zerquetscht oder von Felsbrocken und riesigen Holzbalken erschlagen worden. Noch größeres Glück hatten jene gehabt, die sich irgendwo hatten festklammern und dann auf die alten Leitern retten können, die jetzt bedenklich hin und her schwangen und ebenfalls zusammenzubrechen drohten. Die meisten von ihnen erwartete jedoch ein langsamer, einsamer und qualvoller Tod oder aber, wenn sie doch noch gerettet wurden, ein erbärmliches Leben – einige hatten Gliedmaßen, andere ihr Augenlicht verloren –, weil sie nicht mehr in der Lage sein würden, Geld zu verdienen, so dass sie für ihre Familien nichts weiter als eine Last wären.
    Das unheilvolle Krachen war im Umkreis von mehreren Meilen zu hören gewesen, sogar bis hinauf nach St. Just, und schon bald begannen von überallher die Frauen der Bergleute zur Levant-Mine zu laufen. Sie rannten mit ihren Babys im Arm oder Kleinkindern, die sich verzweifelt an ihre Rockzipfel klammerten, zur Unglücksstelle. Ihr Wehklagen zerriss die gespenstische Stille, die die Mine umgab, und fand sein Echo im Geschrei der Möwen, die sie, hoch über der einsamen Küste kreisend, erbarmungslos zu verhöhnen schienen.

6
     
    Mehr als hundert Kumpel wurden noch vermisst, als Jack und einige andere Männer die Leitern hinunterkletterten, um die Verletzten und Sterbenden zu bergen. Erste erleichterte Jubelschreie ertönten, als etwa zwanzig Kumpel auf ihr Rufen antworteten. Die Männer klammerten sich an Söllern, Stangen und Leitern und wagten nicht, sich in der tintenschwarzen Dunkelheit zu rühren, aus Angst, abzustürzen oder abzurutschen.
    Jack Bryant arbeitete wie ein Besessener, weigerte sich, etwas zu essen oder zu trinken, bis der Obersteiger ihm schließlich befahl, einen Becher gesüßten Tee mit Milch zu sich zu nehmen. Jack hatte den Tee hastig hinuntergekippt, eine wilde Mischung aus Zorn und Angst in seinen blaugrauen Augen. Pearce erzählte in der Zwischenzeit allen, die es hören wollten, dass allein Jack für den Tod so vieler Männer verantwortlich sei.
    Jack ignorierte die Beschimpfungen, die man ihm jedes Mal, wenn er mit einem Verletzten auf den Schultern nach oben kam, an den Kopf warf. Er durfte sich im Moment keine Gedanken um seinen ohnehin schon schlechten Ruf machen, auch wenn er einen flüchtigen Blick auf seinen Vater werfen konnte, der bei den völlig schockierten Angehörigen der Bergleute auf einem kleinen Hügel stand und ihn mit zusammengepressten Lippen anstarrte.
    Charles Bryant war mit Kisten voller Kerzen und Laternen herbeigeeilt, damit die Retter genügend Licht hatten. Jetzt beobachtete er, wie sein Sohn mit grimmiger Miene einen Mann nach oben brachte, der bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt war.
    Jack ignorierte seinen Vater und die Menschen, die ihn voller Hass beschimpften. Er konzentrierte sich allein darauf, die Leitern hinauf- und hinunterzuklettern, um so viele

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