Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
Sie mir bitte. Das alles ist noch ziemlich frisch.«
»Dafür brauchen Sie sich doch nicht zu entschuldigen.«
Sabu kam mit dem Tablett herein. »Ich mache das schon, Sabu«, sagte Iris.
Der Mann wackelte mit dem Kopf, dann verließ er schweigend das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Henry richtete sich auf, als sie sich zu ihm herüberbeugte, um ihm Tee einzuschenken. »Dann darf ich also davon ausgehen, dass Sie dieses Geschenk annehmen?«
Sie schob ihm stirnrunzelnd seine Tasse hin. »Warum verkauft Jack das Haus nicht einfach und behält den Erlös?«
»Sein Vater war ein sehr reicher Mann. Nach allem, was ich gehört habe, fehlt es ihm nicht am nötigen Kleingeld. Außerdem ist es das, was er schon seit längerer Zeit wollte.«
»Sie meinen, er hat schon seit dem letzten Jahr geplant, mir dieses Haus zu überschreiben?«
»So scheint es«, antwortete er ihr vorsichtig.
»Und was ist mit ihr?«
»Ihr?«
»Mit dieser habgierigen indischen Ehefrau«, sagte Iris, plötzlich mit unüberhörbarer Bitterkeit in der Stimme.
Henry war zunächst vollkommen sprachlos. »Äh, meinen Sie Mrs. Bryant?«
»Ich hasse es, wenn man sie so nennt«, sagte Iris.
»Warum denn das?«
»Ich war schon immer davon überzeugt, dass Jack sie nur aus Trotz geheiratet hat.«
»Aus Trotz?«
Sie schien es zu bedauern, dass sie diesen Gedanken geäußert hatte, und spielte verlegen an ihren Haaren herum. »Jack hat sich mit Ned wegen unserer Verlobung entzweit.«
»Das ist schade.«
»Er hat sich schwer damit getan, meine Entscheidung, Ned zu heiraten, zu akzeptieren.«
»Jack ist nicht der Mann, der einen Misserfolg so einfach hinnimmt.«
» Nein«, sagte sie und starrte plötzlich ins Leere. »Ich wünsch te mir, wir hätten eine Möglichkeit gefunden, miteinander zu sprechen, bevor er Indien verließ.«
»Glauben Sie nicht, dass er seine Frau geliebt hat?«, fragte Henry und versuchte dabei, nachsichtig und milde zu klingen.
»Geliebt? Sie war sein Dienstmädchen! Er hat sie aus einer puren Laune heraus geheiratet.«
»Sind Sie wütend auf Mrs. Bryant?«
»Ja, ich bin sogar sehr wütend auf sie. Die traurige Wahrheit aber ist, dass ich sie auch heftig beneide, Henry. Sehen Sie, ich habe mich selbst belogen, habe meine Familie belogen … und was das Schlimmste ist, ich habe auch Ned belogen. Ich habe meinen Mann geliebt, Henry, aber zu meinem Entsetzen muss ich gestehen, dass es selbst heute noch Jack ist, von dem ich träume. Es ist sein Gesicht, das ich vor Augen habe, wenn ich nachts einschlafe, und es ist sein Name, der mir in den Sinn kommt, wenn ich mich wieder einmal selbst bemitleide. Ich habe Jack auf eine gefährliche Art und Weise geliebt«, sagte sie so direkt, so offen, dass Henry in seiner Verzweiflung, sie davon abzuhalten, ihm noch mehr zu erzählen, die Brille auf die Nasenspitze rutschte.
»Ich … äh … ich glaube nicht, dass Sie mir sagen sollten … «
»Ich will es aber. Es ist an der Zeit, dass ich ehrlich bin! All dieser Kummer … Im Grunde geht es um Schuld. Um Schuld und nichts anderes. Ich habe mich des schlimmsten Verrats schuldig gemacht, den es gibt, und dafür hasse ich mich, Henry. Bevor Sie durch diese Tür hereinkamen, hatte ich keinen einzigen Menschen, mit dem ich darüber sprechen konnte. Meine Familie würde das nicht verstehen.«
»Bitte, Iris, ich bin wirklich nicht … «
Er erschrak, als sie plötzlich aufstand. Das Baby rührte sich in ihrem Arm, schlief aber weiter. Sie küsste es auf die Stirn.
»Arme kleine Lily. Wissen Sie, warum ich ihr diesen Namen gegeben habe?«
Henry wollte es nicht wissen, war sich aber sicher, dass sie es ihm dennoch sagen würde. Er schüttelte stumm den Kopf, in der Furcht vor dem, was da kommen würde.
»Sie heißt so, weil Jack Maiglöckchen liebt. In England werden Maiglöckchen ›Lily of the Valley‹ genannt. Sie sind auch im Emblem der Stadt Helston in der Nähe von Penzance, dem Dorf, aus dem er stammt. Außerdem sind sie die Lieblingsblumen seiner Mutter. Das hat er mir an unserem einzigen gemeinsamen Nachmittag damals in Bangalore erzählt.«
Henry schluckte heftig. Er ahnte, worauf das alles hinauslief.
Iris’ Augen strahlten vor glücklichen Erinnerungen und schuldbewusster Freude. »Sehen Sie, Henry, Lily ist nicht Neds Kind.« Henry schnürte es vor Unbehagen und tiefem Bedauern schier die Kehle zu. »Sie ist das Ergebnis dieses einen Nachmittags in Bangalore. Das hört sich schmutzig an, aber das war es nicht.
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