Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
glaube, ich werde einen Weg finden müssen, dass wir ein Schiff nehmen können.«
»Stopp! Zieh Bella und mich da nicht mit hinein.«
Robbie starrte ihn ungläubig an. »In Ordnung. Geh du nur in diese Schule in Rangun, Ned. Wenn du damit einverstanden bist, Bella in den Händen dieses – dieses Teufels zurückzulassen«, stieß Robbie hervor, »dann ist das deine Entscheidung. Ihm ist es völlig egal, welchen Schaden er bei einem Kind anrichtet! Er wird sie schwängern und fortschicken, wenn sie so alt ist wie ich. Du wirst sie niemals wiedersehen!«
»Halt deinen dreckigen Mund!«
»Ich sage nur die Wahrheit. Du musst Bella von hier wegbringen. Sofort!«
»Nach Indien ?«
»Egal, wohin. Also warum nicht nach Indien? Es fahren viel mehr Schiffe nach Indien als nach England. Dr. Walker wird dir bestimmt helfen, nach Hause zurückzukehren.«
»Und wie soll es mir gelingen, mit einer Neunjährigen nach Rangun zu gelangen? Soll ich sie vielleicht auf dem Rücken tragen?«
Robbies Augen funkelten. »Was auch immer du tun musst, du wirst es tun. Ich gehe jedenfalls. Er hat mich heute zum letzten Mal angefasst. Du kannst mitkommen oder bleiben.«
»Lass mich allein, Robbie. Ich muss nachdenken.«
»Gut, aber denk nicht zu lange nach. Und lass auch keine der Mahlzeiten aus. Ich bin sicher, dass Brent uns misstraut. Er weiß, dass wir ihn vorhin belogen haben.«
Das Abendessen verlief ereignislos. Es gab Reis, der zusammen mit gesäuerten Bohnen und einigen mild gewürzten Fleischstücken auf einem Bananenblatt serviert wurde. Ned setzte sich neben Bella auf den Boden. Es schockierte ihn inzwischen nicht mehr, auf dem Boden sitzend zu essen und seine Finger anstelle eines Bestecks zu benutzen. Insgeheim genoss er es sogar, das zu tun, was aus britischer Sicht der Gipfel schlechter Tischmanieren war. Eine wohlmeinende Engländerin hatte ihn bereits auf dem Schiff gewarnt, dass die hiesigen Wilden mit den Fingern äßen. »Und man weiß nie, wo diese Finger vorher waren«, hatte sie kichernd hinzugefügt. Jetzt jedoch, da Ned die Einheimischen beim Essen beobachten konnte, wurde ihm klar, wie manierlich sie das taten. Es erforderte ziemliches Geschick, ein wenig Reis, Curry und ein bisschen von dem eingelegten Gemüse zu einem kleinen, köstlichen Happen zusammenzurollen. Und mehr noch, ihre Handflächen kamen dabei nie mit der Speise in Berührung. Als Ned Robbie und die kleineren Kinder beobachtete, nahm er sich vor, dass ihm das auch gelingen würde.
Im Moment verspürte er jedoch keinen Hunger. Stattdessen nahm er seinen Becher mit Wasser, und als er ihn an die Lippen hob, sah er, dass Brent, der sich an diesem Abend zu ihnen gesetzt hatte, ihn interessiert beobachtete. Seinen kleinen, tief liegenden Augen entging absolut nichts. Ned bekam kaum noch einen Schluck herunter, als er sich vorstellte, was sein Freund all die Jahre durchgemacht haben musste. Er dachte an Brents dicke Wurstfinger, stellte sich vor, wie sie nach Bella griffen. Heftiger Ekel ergriff ihn.
»Hast du keinen Hunger, Ned?«, fragte Bella leise. An ihren Fingern klebte Reis.
»Iss du nur weiter«, stieß Ned mühsam hervor, froh darüber, dass seine Schwester etwas zu sich nahm. Ihr Engelsgesicht war in den vergangenen zwei Wochen ziemlich hager geworden. Sie war nur noch ein Schatten des Kindes, das an jenem schicksalhaften Morgen ihrer Ankunft in Rangun im Auto neben ihm herumgezappelt hatte.
Sie beugte sich nach vorn, um sich eine winzige Portion Reis zu nehmen; Bella schmeckte die Küche Asiens noch immer nicht. Über ihren gebeugten Kopf hinweg fing Ned Robbies Blick auf und nickte – nur ein einziges Mal, doch das genügte. Robbie begriff auf der Stelle, dass Ned ihm damit gerade seine Zustimmung für ihren Plan signalisiert hatte.
Ned ermahnte sich, ruhig zu bleiben, und zwang sich, ein paar Löffel Reis auf sein Bananenblatt zu geben. Da die Burmesen nicht gern fett aßen, war das Fleischgericht ziemlich trocken. Während Bella sich bemühte, wenigstens an den Beilagen Geschmack zu finden, und nur ein wenig klein geschnittenes Obst auf ihren Reis legte, mochte er lieber die würzigen Zut aten, vor allem die salzigen, gesäuerten Bohnen. Dennoch musste er heftig kämpfen, um an diesem Abend überhaupt etw as hinunterzubekommen. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und redete deshalb die ganze Zeit, unterhielt die Kinder um ihn herum mit einer Geschichte. Robbie übersetzte das Ganze, wobei er so lebhaft gestikulierte,
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