Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
doch eine angemessene Erziehung. Wir können dich schließlich nicht als Wilde aufwachsen lassen, nicht wahr?« Er gluckste. »Ich werde dich unter meine Fittiche nehmen und dir persönlich ein paar Unterrichtsstunden geben.«
Robbie warf Ned einen eindringlichen Blick zu.
»Tatsächlich …«
»Ich werde sie unterrichten«, unterbrach Ned ihn. »Meine Eltern waren beide Lehrer. Ich kann sehr gut lesen, schreiben und rechnen. Sie müssen sich um Bells Unterricht also keine Gedanken machen.«
Brent richtete sich auf. »Oh, das tue ich aber sehr wohl.« Seine Worte waren durchaus freundlich, aber in seiner Stimme schwang unüberhörbar ein gereizter Unterton mit. »Du vergisst, dass ich für sie verantwortlich bin.«
»Sie sind für sie verantwortlich?«
»Du bist noch längst nicht einundzwanzig, Edward, und damit auch noch nicht volljährig. Du kannst doch nicht im Ernst annehmen, dass Mr. Fraser dir die Verantwortung für deine Schwester übertragen hat. Das ist rechtlich gar nicht möglich.«
»Fraser?« Ned hätte vor Wut beinahe aufgeschrien. »Was veranlasst Sie zu der Annahme, dass Mr. Fraser für mich oder meine Schwester verantwortlich ist, Dr. Brent? Er ist für uns nicht mehr als ein flüchtiger Bekannter. Er hat sich mit meiner Mutter nicht einmal geduzt.«
Wieder gab Brent ein leises Glucksen von sich. »Mr. Fraser hat für eure Unterbringung hier bezahlt. Schon aus diesem Grund hat er die Stellung eines Vormundes erlangt.«
»Eines Vormundes? Er konnte es doch gar nicht erwarten, uns loszuwerden! Er hat klipp und klar gesagt, dass er kein Geld hat, um uns zu unterstützen.«
»So ist es. Das hier ist ein Waisenhaus, Edward. Du und deine Schwester wurden von einem verantwortungsvollen Erwachsenen, der um euer Wohlergehen besorgt war, offiziell in meine Obhut übergeben. Und als Direktor dieses Waisenhauses obliegt es nun allein mir, über eure Zukunft zu entscheiden. Unser Haus ist nicht dafür ausgelegt, junge Männer deines Alters zu beherbergen. Unsere Altersgrenze liegt normalerweise bei etwa fünfzehn Jahren. Auch unser Robbie hier ist eigentlich schon in dem Alter, um uns zu verlassen … jedenfalls beinahe.«
»Mr. Fraser hat gesagt, wir sollen warten, bis wir etwas von ihm hören«, murmelte Ned, der jetzt aufs Höchste alarmiert war.
»So ist es. Aber bis es so weit ist, kannst du unmöglich hierbleiben, junger Mann. Ich habe bereits mit dem Direktor einer Knabenschule in Rangun gesprochen. Er wird sehen, was er für dich tun kann, damit du eine Arbeit findest. Vielleicht könntest du erst einmal als Elektrikerlehrling arbeiten?«
»Ich habe meine Lehre bereits beendet, Dr. Brent.«
»Nun, ich werde keine weitere Diskussion über dieses Thema dulden, Edward. Was ich sage, wird gemacht. Auch die Schule in Rangun ist keine Lösung auf Dauer – Mr. Jameson tut mir damit nur einen Gefallen –, aber es geht nicht, dass jemand deines Alters hier bei uns bleibt. Du solltest mir dankbar für das sein, was ich für dich in die Wege geleitet habe. Jameson bietet dir für die nächsten drei Monate, bis wir endgültig entschieden haben, wie es mit dir weitergeht, Essen und eine Unterkunft. Für Arabella wird hier, in der Gesellschaft von Kindern ihres Alters, gut gesorgt werden, und ich kann dir versichern, dass ich mich persönlich um ihren Unterricht und ihr sonstiges Wohlergehen kümmern werde. Was könnte ich mehr anbieten?«
Ein weiterer Blick von Robbie sagte Ned, dass er diese Unterhaltung so schnell wie möglich beenden sollte, um keinen Verdacht zu erregen. Also ließ er die Schultern hängen und versuchte, allen Trotz aus seinen Augen zu verbannen.
»Wahrscheinlich haben Sie recht. Ich brauche einfach noch etwas Zeit, um mit der Situation fertig zu werden. Wir werden sicher von Mr. Fraser hören, wenn er in England angekommen ist. Ich muss mich für meine schlechten Manieren entschuldigen.«
Brents Haltung veränderte sich auf einen Schlag. Sein raubtierhaftes Gebaren verschwand, zurück blieben nur ein warmes Lächeln und eine gönnerhafte Miene. »Nun, ich bin von dir beeindruckt. Jetzt denkst du wie ein besonnener junger Mann. So habe ich dich von Anfang an eingeschätzt. Das ist eine kluge Entscheidung, vor allem für Arabella ist es das Beste. Ich werde dafür sorgen, dass man dich morgen nach Rangun fährt. Warum nimmst du dir nicht heute frei und verbringst noch etwas Zeit mit deiner Schwester? Wir sehen dich dann beim Abendessen.«
Ned, der sich verzweifelt darum
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