Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
ihre Hand. »Ich werde das nicht vergessen. Vielen Dank.« Sie erwiderte sein Lächeln, und diesmal war es aufrichtig. »Wissen Sie, Sie sind wirklich sehr hübsch … und ohne all das Rouge und den Lippenstift wären Sie sogar noch hübscher.«
Eugenie wirkte plötzlich sehr nervös. »Oh, vielen Dank«, sagte sie und zupfte unsicher an den sanften Wellen ihres Bobs. »Ich gehe jetzt wohl besser wieder nach unten, sonst denken die anderen Mädchen noch, dass ich bei Ihnen erfolgreich war.«
»Nun, dann sollten wir sie doch nicht enttäuschen. Würden Sie gern tanzen, Miss Ross?«, fragte er und reichte ihr seinen Arm, froh darüber, dass er in einen Smoking investiert hatte.
Zuerst sah sie ihn ungläubig an, dann jedoch lächelte sie und hakte sich mit ihrem blassen Arm bei ihm unter. »Sehr gern sogar«, sagte sie leise.
»Sind Sie mit Ihrem Vater an Bord gekommen?«
Sie kicherte. »Nein. Er wartet in Bombay auf mich. Genau wie meine Mutter – wir werden dann gemeinsam nach Sydney weiterfahren. Ich reise mit einer Freundin und einer Tante, die auf uns aufpassen soll.«
Jack seufzte insgeheim erleichtert. »Einen einzigen Tanz, Miss Ross.«
Sie tätschelte seinen Arm. »Einen Tanz jeden Abend bis Bombay.« Sie sah ihn hoffnungsvoll an. »Wir sind einfach nur gute Freunde. Einverstanden?«
Jack lächelte. »Einverstanden.«
18
Die Tage auf See vergingen für Jack wie ein angenehmer, vergnüglicher Traum. In Malta wurden die Schiffsvorräte aufgefüllt, was ihm einen willkommenen Anlass für einen fröhlichen Landausflug mit Eugenie und ihren Begleiterinnen bot. Als die Naldera in Grand Harbour einlief, wurde sie sofort von einer Flottille kleiner Boote umringt, auf denen, angefangen bei frischem Obst bis hin zum Wäschereiservice, so gut wie alles angeboten wurde. Während sich die Damen in Valetta sofort auf den Weg zur Strade Reale machten, in deren Geschäften es die berühmte Spitze zu kaufen gab, konnte Jack nicht widerstehen, sich die »eingelegten Mönche« – einbalsamierte Brüder des Karmeliterordens – anzusehen. Begeisterte Passagiere kehrten mit Korallen und Silber an Bord zurück. Jack hingegen hatte nur eine Postkarte mit einer kolorierten Federzeichnung des Hafens und der Einkaufsstraße gekauft, die er pflichtschuldig seinen Eltern schickte, zusammen mit ein paar Zeilen, in denen er ihnen mitteilte, dass es ihm gut gehe und er die Reise sehr genieße. Und obwohl er über einen höflichen Handkuss für Eugenie nicht hinausging, so hielt er doch sein Versprechen, ihr jeden Abend einen Tanz zu gewähren. Schon bald wurden sie gute Freunde.
Das vielleicht seltsamste Ereignis der Reise war für ihn und eine Handvoll anderer Männer die sogenannte Linientaufe, als sie zum ersten Mal den Äquator passierten. Als »Äquatorjungfrauen« wurden Jack und sieben weitere männliche Passagiere der zweiten Klasse an Deck von Neptun rasiert, der vom Schiffssteward verkörpert wurde. Neptuns Hofstaat war natürlich vollzählig anwesend, und die anderen Passagiere stellten sicher, dass die größten Seeleute mit den üppigsten Bärten und den augenfälligsten Tätowierungen König Neptun und seine Töchter spielten.
Jack ließ es gut gelaunt über sich ergehen, dass man ihn zunächst mit einem Teerpinsel ordentlich einseifte, dann mit einer Säge »rasierte«, bevor man ihn zum großen Vergnügen des jauchzenden Publikums – darunter auch Eugenie, die vor Lachen fast keine Luft mehr bekam – in einen riesigen Behälter mit Salzwasser tauchte.
Die nächste Station ihrer Reise war Port Said, ein Aufenthalt, auf den sich alle gefreut hatten, denn Port Said galt als der erste »orientalische« Hafen. Er stellte auf dieser Reise eine Art Meilenstein dar, und von nun an herrschte eine völlig andere Atmosphäre auf dem Schiff.
Die Passagiere tauschten ihre warmen Sachen gegen Som merbekleidung aus. Wieder war Jack dankbar für den Rat sei nes Londoner Schneiders, der darauf bestanden hatte, ein leichter heller Anzug sei in den Kolonien unverzichtbar.
Die Frauen durften – dies war ein ausdrücklicher Befehl des Kapitäns – nicht ohne männliche Begleitung an Land gehen, und so wurde Jack erneut zum Begleiter von Eugenies rein weiblicher Reisegesellschaft in eine Stadt ernannt, in der es, wie allgemein behauptet wurde, von Halsabschneidern, Taschendieben, Bettlern und Zauberern jeglicher Nationalität nur so wimmelte.
Jack hatte angenommen, dass ihn seine Zeit in London mit den dortigen belebten
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