Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
alleinstehenden Frauen an Bord Ihre Gesellschaft vorzuenthalten?«
In der matten Deckbeleuchtung konnte er nicht erkennen, ob ihre Augen grün oder grau waren, aber er bemerkte deren amüsiertes Funkeln. Ihr glänzender Lippenstift schimmerte blutrot, und ihre kleinen, vollkommen geraden, strahlend weißen Zähne blitzten bei jedem leisen, gekünstelten Lächeln kurz auf. Eugenies Haltung hatte genau wie ihr stark geschminktes Gesicht und ihr Gebaren nichts Natürliches an sich. Ihm wurde bewusst, dass sie immer noch auf eine Antwort von ihm wartete.
»Nun, ich denke, ich bin im Augenblick keine besonders gute Gesellschaft.«
»Oh! Und warum nicht?«
Jack lehnte sich an die Reling. »Mir geht zurzeit einfach zu viel im Kopf herum.«
»Dann werden Ihnen ein paar Runden auf dem Tanzparkett bestimmt helfen, auf andere Gedanken zu kommen.«
»Da bin ich mir sogar sicher … vorausgesetzt, dass ich überhaupt auf andere Gedanken kommen möchte.«
Sie lächelte ihn an, als ginge es hier um eine Art Wettkampf, dann fuhr sie mit dem Finger dreist an seiner Brust hinunter und legte ihre flache Hand auf seinen Bauch. Fast hätte er laut gelacht; sie war noch sehr jung und hatte das wahrscheinlich in einem Film gesehen.
»Wohin fahren Sie, Jack? Ich hoffe doch nach Sydney. Dann könnten wir nämlich die ganze Reise zusammen genießen.«
Das war genau der Moment, in dem Jack seine Entscheidung traf und den er sein ganzes Leben nicht vergessen würde. Sein Schicksal, oder was auch immer Miss Eugenie Ross verkörperte, offenbarte sich ihm in diesem Augenblick und ließ ihn seine Pläne ändern.
»Nein«, erwiderte er und nahm sacht ihre Hand von seinem Bauch. »Ich werde in Bombay von Bord gehen.«
Da Eugenie sehr irritiert wirkte, vermutete Jack, dass sie sich beim Steward nach seinem Reiseziel erkundigt hatte. Sie fing sich jedoch schnell wieder und zog eine Schnute. »Ach, tatsächlich?«
»Ich habe mich erst vor Kurzem dazu entschlossen.«
»Nun«, sagte sie munter. »Dann bleiben uns immer noch zwei Wochen, um die Nächte durchzutanzen.«
»Ich fühle mich wirklich sehr geschmeichelt, Miss Ross«, sagte er, »aber ich glaube nicht, dass das meiner Verlobten gefallen würde.«
Sie zuckte zusammen, so als hätte sie etwas gestochen. »Menschenskind, Jack. Das mit Ihrer Verloben hätten Sie auch früher sagen können!« Sie lehnte sich an die Reling und sah seufzend aufs Meer hinaus. »Dann stehen Sie also Abend für Abend allein hier draußen, rauchen eine Zigarette und denken dabei nur an sie.«
Jetzt lächelte er tatsächlich. »So ähnlich.«
Sie blies ihm trotzig den Rauch ins Gesicht.
»Wie alt sind Sie?«, fragte er.
»Fast achtzehn, wenn Sie es unbedingt wissen müssen, also alt genug, um mit einem Mann zusammen zu sein.«
Aha, er hatte also ins Schwarze getroffen. Die kleine Eugenie musste zweifelsohne vor ihrer eigenen Fantasie beschützt werden.
»Wissen Sie, Miss Ross, dort, wo ich herkomme, bedeutet ›mit einem Mann zusammen zu sein‹ etwas ganz anderes als das, was Sie sich in Ihrer Unerfahrenheit darunter vorstellen.«
Sie schnaubte wütend, warf ihre Zigarette auf den Boden und trat sie aus. »Ich weiß nicht, warum ich mich überhaupt mit Ihnen abgegeben habe.«
»Das weiß ich auch nicht. Aber ich bin mir absolut sicher, dass ich Sie nicht um Ihre Aufmerksamkeit gebeten habe.«
»Ich werde allen anderen Frauen an Bord sagen, dass sie einen großen Bogen um Sie machen sollen, Mr. Bryant.«
Er grinste. »Das wäre wirklich sehr nett von Ihnen, Miss Ross. Vielen Dank.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, und sie schürzte die Lippen. »Es gibt gar keine Verlobte, die zu Hause sehnsüchtig auf Sie wartet, nicht wahr?«
»Zu Hause wartet nichts und niemand auf mich, und schon gar keine Frau.«
Dieses Eingeständnis schien sie zu besänftigen. Schweigend standen sie da und starrten auf den mondhellen Ozean hinaus. Musikfetzen trieben vom unteren Deck zu ihnen herauf. Es war ein seltsam entspannter Augenblick.
»Da, schauen Sie, Jack«, rief sie plötzlich aufgeregt. »Eine Sternschnuppe, und sie kommt direkt auf Sie zu – also gehört sie Ihnen auch.«
»Ich sehe sie«, sagte er und blickte voller Staunen zum nächtlichen Himmel hinauf. Die Vorstellung gefiel ihm. »Ich hoffe, das bedeutet etwas Gutes.«
»Es ist ein Wink des Schicksals. Ich denke, Indien wird Ihnen Glück bringen … vielleicht sogar die Liebe.«
Er sah sie an, dann beugte er sich hinunter und küsste sacht
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