Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
Bleib ganz ruhig. Geh zügig, aber renn nicht. Wenn du rennst, fällst du auf. Geh durch den Garten und halte dich im Schatten der Bäume. Verlass das Gelände durch den Hinterausgang und vergiss nicht die Fahrräder. Sprich mit niemandem. Geh nach Hause und verhalte dich den Rest des Abends so normal, wie du kannst. Bleib im Haus, und sorg dafür, dass man dich dort sieht. Hast du verstanden, Ned? Du musst dir ein Alibi verschaffen.«
Ned nickte.
»Wir sind nicht, wie eigentlich geplant, zum Abendessen gegangen«, fuhr Jack fort, »weil wir ausgiebig zu Mittag gegessen haben. Ich werde das Reden übernehmen. Ich bleibe noch eine Stunde hier, nur für den Fall, dass man dich doch sieht.«
»Jack, ich glaube nicht, dass das …«
Jack schüttelte verärgert den Kopf. »Dazu ist jetzt keine Zeit, Ned. Beweg deinen Hintern!«
»Wieso tust du das?«
»Weiß der Himmel, warum! Vermutlich, weil du mir so unglaublich hilflos vorkommst. Außerdem finde ich es schrecklich, dass dir so schlimme Dinge zugestoßen sind, dabei hätte es so vieles gegeben, worauf du dich hättest freuen können. Brent war ein echtes Schwein, ein Krimineller. Ich erweise also auch den Waisen von Rangun einen guten Dienst, wenn ich dich decke. Mir kann man nichts anhängen. Du aber musst jetzt genau das tun, was ich sage. Dann wirst du die Sache womöglich unbeschadet überstehen.« Er zeigte auf die Leiche. »Du hast ihm Einhalt geboten. Viele würden dir im Stillen dafür danken.«
»Ich sollte für dieses Verbrechen geradestehen, Jack.«
»Du willst also wirklich dein Leben wegen dieses Dreckstücks aufgeben? Du willst wirklich deine Zukunft wegwerfen? Bell im Stich lassen? Dein Leben hat doch gerade erst begonnen. Brent empfand nicht die geringste Reue wegen der Pein, die er anderen zugefügt hat. Du hast der Welt einen Gefallen erwiesen, Ned. Also schuldet die Welt jetzt dir eine Chance, all das hinter dir zu lassen. Und diese Chance bin ich.«
Ned starrte Brent an. »Also gut.« Er drehte sich zum. »Das werde ich dir niemals vergessen.«
»Das hier ist unser Geheimnis«, sagte Jack leise.
»Geheimnisse binden, hat meine Mutter immer gesagt.«
»Dann sind wir auf immer in Freundschaft miteinander verbunden.«
Ned gab ihm die Hand. »Ich stehe tief in deiner Schuld.«
Jack schüttelte sie. »Eines Tage wirst du mir helfen, wenn ich dich brauche.« Er zeigte auf das Fenster. »Nimm den Weg hinten herum und pass auf, dass dich niemand sieht.«
Jack hatte angenommen, dass sich mehrere Offiziere der Armee und mit Sicherheit jemand, der den Polizeichef kannte, im Club oder auf dessen Gelände aufhalten würden. Er sollte recht behalten. Binnen weniger Minuten hatten sich verschiedene ranghohe Personen im Gästezimmer dreiundzwanzig versammelt, darunter auch mehrere Angehörige der Militärpolizei. Jetzt befanden sich nur noch ein höherer Beamter der indischen Polizei und sein Adjutant, der Direktor des Clubs, ein Mann vom Leichenschauhaus, der dem für die Ausstellung des Totenscheins zuständigen Arzt assistierte, und Jack im Raum. Alle bis auf den Arzt und seinen Assistenten standen mit dem Rücken zu dem Toten.
»Wann haben Sie ihn gefunden?«, fragte der Polizeibeamte.
»Vor etwa einer Stunde«, antwortete Jack. »Ich hatte gehört, dass er sich hier ein Zimmer genommen hat, und wollte mich ihm vorstellen.«
»Warum wollten Sie das tun, Mr. Bryant?« Der Mann hatte strahlend weiße Zähne, ein pockennarbiges Gesicht und dunkle Ringe unter seinen aufmerksamen schokoladenbraunen Augen.
Jack runzelte nachdenklich die Stirn. »Also, ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wo und wann ich von ihm gehört habe – wahrscheinlich war es auf dem Schiff. Ich wusste von Dr. Brents Arbeit in Rangun, und dann habe ich, wie ich bereits erwähnte, auch noch Ned Sinclair kennengelernt, der ebenfalls mit ihm bekannt ist. Da dachte ich, ich sollte mich einfach mal mit ihm unterhalten.«
Das Gesicht des Polizeibeamten blieb bei Jacks Antwort vollkommen ausdruckslos. »Sie haben das Zimmer betreten und ihn genau so aufgefunden?«
»Nein, er hat zwar schon auf dem Boden gelegen, aber er hat noch gelebt. Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, dass er genau zu wissen schien, wie ernst es um ihn stand. Er hat mich gebeten, seiner Frau auszurichten, dass er sie liebt und …«
»… dass es ihm leidtut«, beendete der Mann den Satz.
»Richtig.«
»Weil er gestolpert ist.« Der Polizist konnte eine leise Spur Sarkasmus in seinem ansonsten
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