Herzen aus Stein (German Edition)
Herz herausgeschnitten hatte, während vier weitere Dämonen sie auf dem Opferstein festgehalten hatten. Daraus resu l tierte ihre Abneigung gegen Hexen. Woraus sich wiederum folgern ließe, dass sie auch eine Abneigung gegen Dämonen haben musste und das nicht nur, weil sie ein Engel war. Was störte sie daran, dass Ash tot war? Ein Dämon weniger, der die Menschheit verdarb. Ein Dämon weniger, der das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse aus dem Lot brachte. Kara musste dieser weißhaarigen Hexe nun die Uhr geben, ob sie wollte oder nicht. Raphael hatte ihr mehr als ei n mal gesagt, dass es ihre Aufgabe sei, doch es fühlte sich falsch an. Abermals schaute sie die beiden an, bis ihr Blick auf dem Gesicht des Gargoyles hängen blieb. Er sah einem Menschen sehr ähnlich. Kara zwinkerte sich die Tränen weg. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Die spitzen Ohren, die verlängerten Eckzähne, die winzigen Hö r ner … Das hier war ein Gargoyle aus der Londoner Bruderschaft, denn die besaßen alle nur kleine Hörner und keinen Tierschwanz. Es war … „ Nein! “ Ihr stockte der Atem.
Eure Schicksale sind alle miteinander verbunden , hallte Raphaels Stimme durch ihren Kopf. „ Vincent! “ Das war der Gargoyle mit der mensc h lichen Mutter! Die Bruderschaft hatte seinen Vater verstoßen, weil er eine Menschenfrau geliebt und mit ihr ein Kind gezeugt hatte. Als Vincent zur Waise wurde, konnte Kara den Klan überreden, den noch sehr jungen Gargoyle aufzunehmen. Kara hatte sich die erste Zeit viel um ihn gekümmert, oft mit ihm gespielt. Er war ein süßer Fratz. Als er alt genug war, jemanden zu beschützen, hatte sich Kara abermals für ihn eingesetzt. Vincent sollte auf ein Mädchen aufpa s sen, hinter dem Dämonen her waren: Malou. Kara hatte Malou nie zu Gesicht bekommen, aber das musste sie sein. Diese Frau war also Malou LeMar – eine Hexe – und sie hatte ihren Vincent bekommen. Nein, wie ungerecht! Hatte sich alles gegen sie verschworen? Wenn Kara damals gewusst hätte, dass das Mädchen eine Hexe war, hätte sie Grimsley nie dazu überredet, Vincent den Job zu geben.
Sie schaute sich die beiden genauer an. Ihre Kleidung war an ein i gen Stellen zerrissen, außerdem waren Vincent und die Hexe ebe n falls verletzt, wenn auch bei Weitem nicht so schlimm wie Ash.
Laut schluchzte Kara auf.
„ Kara? “ , fragte Vincent plötzlich und suchte die Umgebung mit Blicken ab. Seine Nasenflügel bebten, er roch Kara anscheinend. „ Bist du hier? “
Sie antwortete ihm jedoch nicht. Tränenblind zog sie das winzige Artefakt zwischen ihren Brüsten hervor. Was wäre geschehen, wenn es ihr der Dämon zuvor abgenommen hätte? Vielleicht wäre er dann nicht gestorben.
Ihre Hände zitterten, in ihren Schläfen pochte es heftig. Ash. Wi e der sah Kara seine blauen Augen, das verwegene Lächeln – ihre Sicht verschwamm; Tränen kullerten über ihre Wangen. Kara konnte nicht begreifen, dass Ash fort war. Für immer. Sie konnte allerdings auch nicht verstehen, warum sie ihn so stark vermisste. Ob das mit ihrer allgemeinen Abneigung gegenüber Hexen zu tun hatte? War sie de s wegen so wütend über seinen Tod? Im Moment war sie verwirrt, schien nicht mehr zu wissen, was richtig und was falsch war. Aber alles in ihrem Inneren schrie: Er muss leben, muss, muss!, und ein abstruser Gedanke formte sich: Ich habe die Uhr, ich habe die Macht über die Zeit!
Kara wusste nicht, wie man die Sanduhr benutzte, aber sie machte es instinktiv richtig. Ohne zu überlegen drehte sie am oberen Ko l ben. Sofort rieselte der goldene Sand durch die Taille in den unteren Glaskörper, dann wünschte sich Kara mehrere Stunden zurück.
Kapitel 5 – Paris (Gegenwart)
A
ls die Maschine in Paris eine butterweiche Landung hinlegte, schlug Vincent die Lider auf und aktivierte erst einmal seine Sinne, die in völliger Dunkelheit besonders gut funktionierten. Er hatte die Zeit während des Fluges zum Relaxen nutzen wollen, weil er bestimmt gleich seine volle Kondition brauchte, wie er Noir kannte. Aber er hatte sich nicht wirklich ausruhen können, denn es war zu laut im Bauch des Flu g zeugs. Es ging ihm auch nicht aus dem Kopf, dass Magnus von ihm wusste. Der Lärm der Turbinen dröhnte in seinen Ohren, sodass er Noirs Herzschlag nicht hören konnte. Aber es gab eine Klappe im Laderaum, die in den Passagierbereich des Flugzeugs führte. Er öf f nete sie einen Spalt, worauf grelles Licht seine Augen blendete. Er musste jedoch nichts sehen.
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