Herzen aus Stein (German Edition)
ich mir neben all der Arbeit ein wenig Vergnügen gönne, ist das nur rechtens. Als Engel eines derart hohen Postens darf ich mir solche Freiheiten herausnehmen! “ , rief Ashriel. Immerhin kam er in der Rangfolge gleich nach den Erzengeln, und die hatten pra k tisch Narrenfreiheit.
„ Du hast dir zu viele Freiheiten gegönnt, mein Lieber “ , sagte Azbuga , der richterliche Thronengel. „ Wir haben jahrelang beide Augen zugedrückt, weil du deine eigenen Wege gegangen bist, aber nun wird es Zeit, dass du eine Läuterung erfährst. “
„ Läuterung? “ , krächzte er. Wollten sie ihm die Federn stutzen? Das magische Messer in Raphaels Händen konnte nichts Gutes b e deuten. Ein Engel ohne Federn erlitt größte Schmach. Es war eine unendlich demütigende Angelegenheit. Aber er würde diese schmerzhafte Prozedur und die Schande über sich ergehen lassen, wenn er nur seinen Posten behalten durfte. Seine Federn würden nachwachsen und sein Ego vielleicht wieder heilen.
„ Deine ausgefallenen Spielereien konnten wir tolerieren, aber nicht, dass du deine Pflichten vernachlässigst “ , setzte Michael hinzu. „ Du kannst dich nicht einfach über das hinwegsetzen, was Uriel dir aufträgt. Auch uns gefallen seine Entscheidungen nicht immer, doch der Lauf der Dinge ist seit jeher vorbestimmt. Wir dürfen die G e schichte nicht eigenmächtig ändern. “
Der Erzengel hielt einen seiner Flügel fest, der noch feucht vom Bad war. Wenn sie nicht bald ihre Pfoten von ihm nahmen, konnte Ashriel für nichts mehr garantieren. Er war fuchsteufelswild. Sie wagten es, in seine Festung zu spazieren und ihm einen Dorn in den Nacken zu treiben, sodass er keine Chance hatte, sich zu wehren. „ Ich will eine Verhandlung! “
Keiner reagierte darauf. Alle folgten dem Prozedere der Läuterung.
„ Hiermit entbinden wir dich von sämtlichen Pflichten. Von nun an wirst du keiner von uns mehr sein “ , sagte Azbuga . Der Richterengel zog eine Pergamentrolle aus seinem Umhang und verlas Ashriels Verstöße. Er hörte jedoch kaum zu. Keine simple Läuterung … Hier spielte sich etwas völlig anderes ab, etwas, das ihm die Luft nahm. Sie stießen ihn vom Thron und … noch tiefer!
„ Was? “ Seine Kehle war wie zugeschnürt. Die Umgebung vor se i nen Augen verschwamm. Das konnte nicht sein! „ Das könnt ihr nicht machen “ , hauchte er und sank kraftlos zusammen. Als Raphael mit dem Dolch hinter ihn trat, brüllte er erneut auf und stemmte seine Knie gegen den kalten Boden. Seine Lebensgeister waren schlagartig wieder geweckt. Sie wollten ihm nicht das Federkleid stutzen. Sie wollten ihm die Flügel abschneiden!
„ Nicht! “ Er wollte auf keinen Fall, dass sie ihm das antaten, dass sein bester Freund ihm das antat. „ Nein! “ Doch Raphael war der Heiler unter den Engeln. Er wusste als Einziger, wie er schneiden musste, damit die Flügel nicht nachwachsen konnten. Raphael mus s te schon seit jeher diese Prozedur durchführen.
„ Raphael! “ Ashriel bog den Rücken durch. Tränen der Wut und der Verzweiflung liefen über sein Gesicht und vermischten sich mit seinem Angstschweiß. Das Herz schien ihm aus der Brust zu spri n gen. „ Bitte tu das nicht! Ich gelobe Besserung! Nehmt mir mein Land, meine Federn, aber lasst mir meine Flügel! “ Ashriel spürte die heiße Klinge am Ansatz einer Schwinge.
„ Tut ihm das nicht an! “ , rief eine hohe Stimme. Rosella und zwei andere Nymphen kamen in den Saal gelaufen, mit nichts am Leib als durchsichtigen Tüchern. Ihre nackten Füßlein hinterließen kaum ein Geräusch auf dem Boden, als würden sie schweben. „ Bitte verschont ihn! “
Ashriel zwinkerte sich die Feuchtigkeit aus den Augen. Seine Mä d chen! Sie kamen, um ihn zu retten! Sie weinten um ihn. Aber was konnten drei Nymphen schon gegen derart mächtige Engel ausric h ten? Zu seinem Entsetzen richtete Raphael seine freie Hand auf die drei Frauen.
„ Tu ihnen nichts! “ , rief Ashriel, weil er es nicht ertragen würde, wenn diesen süßen Geschöpfen etwas zustieße.
Raphael beachtete ihn nicht. „ Verschwindet und lasst euch hier nie wieder blicken! “
Er schleuderte ihnen Blitze entgegen, die zu ihren Füßen in den marmornen Boden einschlugen, sodass Stücke heraussprengten. Kreischend liefen sie aus der Halle.
Ashriel war verloren. Hatte er sich schon einmal so hilflos gefühlt? Resigniert ließ er den Kopf hängen.
Als er die glühende Klinge an seinem rechten Schulterblatt spürte, schrie er
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