Herzen aus Stein (German Edition)
seinem Saal getobt hatte …
„ Das könnt ihr nicht machen! “ , rief Ashriel, als die Erzengel Gabriel und Michael ihn auf die Knie drückten. „ Schon gar nicht in meinem Zuhause! “
Ashriels Nacken brannte höllisch, denn dort hatte Michael ihm hinterlistig einen Dorn hineingetrieben. Er blockierte Ashriels me n tale Erregungsleitung, sodass er keine seiner Fähigkeiten anwenden konnte. Nicht einmal mehr davonfliegen war möglich. Der Dorn hatte den Nerv genau getroffen. Ashriel fühlte sich wie gelähmt.
Michael, der rothaarige Erzengel, hatte ihn unter einem Vorwand in seiner Burg besucht, um ihn dann zu überrumpeln. Ashriel hatte nicht mit so einem Angriff gerechnet. Anschließend hatten drei we i tere Engel – Azbuga , Gabriel und Raphael – die Halle seiner Res i denz betreten. Ihr langes, wallendes Haar glänzte ebenso prächtig wie ihre Schwingen.
Die Hände hatten sie Ashriel vor dem Körper zusammengebu n den, als wäre er ein Schwerverbrecher. Er mochte sich nicht ausm a len, was sie vorhatten; Erzengel waren dafür bekannt, nicht lange zu zögern. Sie wollten ihn gewiss spüren lassen, dass er sich nicht so einfach über Vorschriften hinwegsetzen konnte. Schweiß lief ihm in die Augen und tropfte auf den Marmorboden, auf dem sich sein vor Wut verzerrtes Gesicht spiegelte. Sein nackter Oberkörper war ebe n falls von einem feuchten Film überzogen. Er trug nichts weiter am Leib als eine Leinenhose, die er sich schnell nach seinem unterbr o chenen Bad übergezogen hatte, als Michael in die Burg gekommen war.
„ Lasst mich los! “
Michaels und Gabriels Griffe um seine Flügel verstärkten sich.
Ashriel schrie und tobte. „ Ich bin einer der sieben Herrscher der Erde. Ich verlange eine anständige Verhandlung! “
„ Dir wurde eine Gelegenheit zuteil “ , erklärte Azbuga , der Richte r engel. „ Doch du hast sie verspielt. “
„ Ihr Scheinheiligen! Als ob ihr immer alles richtig macht! “ Ashriel versuchte zu entkommen, doch es war vergeblich. Der nageldicke Dorn in seinem Nacken schwächte ihn. Außerdem war ein Erzengel einem rangniederen Engel immer überlegen. Ashriel stand zwar im Ansehen nur eine winzige Stufe tiefer, aber gegen so eine Übermacht hatte er keine Chance. Die Erzengel waren die Fürsten unter ihnen und allen anderen Engeln übergeordnet. Er verfluchte sich in diesem Moment für seine Dummheiten, doch noch mehr verfluchte er R a phael. Dieser hatte ihm von allen Erzengeln am nächsten gestanden. Raphael hatte bei seinen irdischen Besuchen oft in seiner Residenz vorbeigeschaut. Sie hatten viel miteinander gelacht, manchmal eine Partie Schach gespielt oder den vorbeifahrenden Booten auf der Alster zugesehen. Ash hatte gedacht, sie wären Freunde. Beste Freunde. Jetzt schien von dem gutmütigen, oft auch witzigen Engel nichts mehr übrig zu sein.
Raphael blickte ihn ernst an. „ Es tut mir leid, Ashriel. Ich muss meine Pflicht tun. So lautet das Gesetz. “
Aus seinem langen Gewand holte er einen Dolch, der in einem he l len Blau glühte. Ashriels Herzschläge gerieten ins Stocken. Seine Kiefer mahlten so hart, dass er glaubte, seine Zähne zu pulverisieren. „ Wenn es wegen der Nymphen ist “ , presste er hinaus , ohne den Blick vom Dolch zu nehmen, „ so kann ich sie wegschicken. Sie we r den nie wieder meine Festung betreten, wenn ihr es wünscht. “ Es erniedrigte ihn zutiefst, sich den Erzengeln zu beugen, aber im M o ment sah er keinen anderen Ausweg. Diesmal war er wohl zu weit gegangen. Er hatte sich in den letzten Monaten lieber mit seinen Lieblings-Nymphen vergnügt, als seine Aufgaben als Herrscher ernst zu nehmen. Der Hohe Rat hatte ihn gewarnt, aber er hatte es nicht geschafft, seinen Lebensstil zu ändern. Die süßen Geschöpfe hatten ihn verzaubert. Sie hielten seine Burg sauber, versorgten ihn, trugen ihm Gedichte vor und erfüllten ihm auch sonst den einen oder and e ren Gefallen. Soeben im Badezuber hatte Rosella ihn ausgiebig gew a schen. Zuerst hatte sich die blonde Nymphe mit besonderer Sorgfalt seinen ausladenden Schwingen gewidmet, die zu seinen erogensten Zonen zählten, bevor sie sich um einen weiteren, äußerst bedeute n den Körperteil gekümmert hatte.
Er war ein stolzer Herrscher, der sich nicht dem Hohen Rat unte r ordnen wollte. Er verfolgte seine eigenen Ziele, entschied selbst über Recht und Unrecht in seinem Land. Was erlaubten die vier sich! Niemand hatte ihm vorzuschreiben, wie er Europa regieren sollte.
„ Wenn
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