Herzen im Feuer
Ihr Freund verschwunden, bevor ich bis drei gezählt habe, ist das klar?«
»Sie kommen sich wohl sehr mutig vor. Der Graf läßt aber so nicht mit sich reden«, warnte Jacques. Sein schmales Lächeln verzog sich zu einer grotesken Grimasse, als er dem Grafen zunickte.
Jacques hatte den Mund so voll genommen, weil er sich auf den Grafen verlassen konnte. Dieser war berühmt dafür, einen Mann in Sekundenschnelle außer Gefecht zu setzen. Aber Jacques hatte den Schweden unterschätzt. Er hätte nie gedacht, daß sich ein so plumper Riese so behende bewegen und so schnell reagieren könnte.
Der Schwede sah die Attacke des Grafen kommen. Im selben Augen-
blick, als der Graf den Arm hob und die Messerklinge gefährlich aufblinkte, packte der Schwede sein Handgelenk und drehte es blitz- schnell herum, bis die Knochen in einem vollkommen unnatürlichen Winkel standen und Mara ein scharfes Krachen hörte, gefolgt von einem lauten Schmerzensschrei. Die Waffe des Grafen landete zwi- schen zwei Dielenbrettern, wo sie steckenblieb, bis der Schwede auf sie trat.
Jacques hielt nichts davon, unnötig Zeit zu verlieren. Als er sah, daß sich das Blatt gewendet hatte, beschloß er, sich schleunigst zu verab- schieden. Aber er hatte zu lange gezögert. Denn als er die Vordertür erreicht hatte, wurde er plötzlich von einer massigen Hand am Hosen- boden hochgehoben und in die Luft geworfen. Er segelte kopfüber in den stinkenden Straßenschlamm.
»Und vergessen Sie nicht«, donnerte der Schwede auf die schlamm- bedeckte Gestalt hinunter, »wenn der Dame ein Haar gekrümmt wird, wenn Sie sich ihr auch nur nähern, werde ich Ihnen bei lebendigem Leibe das Herz aus der Brust reißen und es den Koyoten vorsetzen, während die Geier sich an Ihren Augen laben können.«
»Himmel«, kommentierte eine Stimme ironisch, »ich hoffe nur, wir stehen auf derselben Seite.«
Der Schwede drehte sich um und schaute in das schmale, sonnenge- bräunte Gesicht eines dünnen Mannes, der neben dem Eingang stand. Seine Augen verengten sich mißtrauisch, denn irgendwie kam ihm der Fremde bekannt vor.
Mara bemerkte den irritierten Blick des Schweden und kam zu ihm, um zu sehen, was er so interessant fand. »Brendan!« jubelte sie dann, warf sich ihrem Bruder in die Arme, schlang ihre Hände um seinen Hals und küßte ihn völlig außer sich ab.
»Brendan! Ach, Brendan! Du lebst!« flüsterte Mara. Sie konnte es immer noch nicht fassen, daß er wieder da war.
»Nun, es war schwer genug, dich aufzuspüren. Aber als ich den Aufruhr hier sah, wußte ich gleich, daß ich dich gefunden habe, Schwe- sterherz.« Brendan lachte, hob sie hoch und wirbelte sie herum.
»Papa!« rief Paddy und drängelte sich an Jenny vorbei.
Brendan ließ Mara los und umarmte Paddy, der auf ihn zustürmte und ihn fast umwarf. »Himmel, du bist aber gewachsen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe.« Er lachte und schaute Paddy ins Gesicht.
Jacques schaffte es, in diesem Durcheinander ungesehen zu entkom-
men, aber als Jenny sie bat, ihr Wiedersehen doch drinnen zu zelebrie- ren, erinnerte sich der Schwede an den Grafen und lehnte bedauernd ab.
»Ich werde statt dessen diesen ungebetenen Gast hier beiseite schaf- fen«, erklärte er mit einer Kopfbewegung zu dem Grafen, der wieder die ersten Lebenszeichen von sich gab Und schmerzvoll stöhnte. »Sie werden doch nicht wollen, daß er Ihre Party stört.«
Mara befreite sich aus Brendans Arm und eilte zu dem Schweden. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken kann, Schwede. Ich stehe tief in Ihrer Schuld.« Plötzlich stellte sie sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen zarten Kuß auf die haarige Wange. Dann schaute sie ihn dankbar und glücklich an.
Brendan und Jenny waren von Maras unerwarteter Gefühlsdemon- stration mindestens so überrascht wie der Riese selbst. Aber als das Stöhnen des Grafen lauter wurde, verkniff sich der Schwede jedes weitere Wort, schulterte die schlaffe Gestalt wie einen Sack Kartoffeln und stapfte mit einem freundlichen Nicken aus dem Haus.
»Mann!« erklärte Brendan erstaunt. »Bin ich froh, daß du dich mit diesem Berg so gut verstehst, Schwesterherz. Wer ist das?«
»Man nennt ihn den Schweden, aber ich bin nicht sicher, ob ich mich auch weiterhin so gut mit ihm verstehen werde«, antwortete Mara nachdenklich. »Er ist nämlich ein Freund von Nicholas Chan- tale. Und an den erinnerst du dich doch noch, oder, mein Lieber?«
»Der Teufel soll ihn holen!« Brendan schnitt
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