Herzen im Feuer
eine Grimasse. »Ich wußte doch, daß da irgendwo der Wurm drin ist.«
»O Brendan, es tut so gut, wieder deine Stimme zu hören«, lachte Mara. Dann schaute sie ihn gründlich an. Sie sah, daß sein Gesicht unnatürlich dünn war und seine Schultern kraftlos herabhingen. Er sah müde aus, als wäre er krank gewesen und hätte sich noch nicht ganz erholt. Und obwohl sein Gesicht sonnengebräunt war, wirkte es gelblich und ungesund. Mara bemerkte auch die Schweißperlen auf seiner Stirn, als er sich auf dem Sofa niederließ.
»Du bist krank gewesen, Brendan?« fragte Mara besorgt.
»Das hat nichts zu bedeuten, meine Liebe«, versicherte ihr Brendan. »Ich habe mich nur erkältet. Das passiert fast jedem da oben. Und wenn man bedenkt, was für eine Hölle es ist, bin ich froh, daß ich überhaupt noch lebe.«
»Master Brendan!« rief Jamie von der Tür her. Sie schüttelte mißbil-
ligend den Kopf. »Er hält natürlich wieder Hof, scherzt mit den Da- men, läßt keinen zu Wort kommen - ach, es tut gut, Sie wiederzuse- hen!« begrüßte sie ihn mit einem unterdrückten Lachen. Dann sah sie ihn scharf an und sagte: »Sie haben nich' genug gegessen und nich' auf sich achtgegeben. Himmel, Sie sehen aus wie der Tod auf Latschen!«
»Du wirst es nie lassen können, mich zu bemuttern, nicht wahr, Jamie?« lachte Brendan. Es freute ihn, daß sie sich immer noch um ihn sorgte, auch wenn ihm ihre Fürsorge oft lästig gewesen war.
»Sie brauchen was Kräftiges zu essen. Wie wär's mit 'ner Tasse Kaffee? Es gibt auch frisches Brot und -«
»Schon gut, Jamie«, unterbrach Mara sie. »Jenny macht ihm schon etwas. Und seinem Duft nach zu schließen, hat Brendan schon eine Rast eingelegt, um sich einen Whiskey und ein Bad zu gönnen«, vermu- tete sie.
»Schwesterherz, du kannst froh sein, daß du mich nicht gesehen hast, als ich in San Francisco ankam. Ich sah aus wie ein Grizzly und roch noch schlimmer«, schilderte ihr Brendan voll Entsetzen. »Und du kannst es einem Mann nicht verwehren, daß er sich den Staub aus dem Mund spült.«
»Ich werd' Missis Markham helfen«, erklärte Jamie und schlurfte eilig aus dem Zimmer.
Mara betrachtete seine eleganten Hosen und neuen Schuhe. »Jetzt könnte man fast meinen, du warst auf einem Spaziergang durch den Saint-James-Park und nicht in den Minen. Seit wann bist du in San Francisco? Ganz bestimmt bist du nicht in diesen Kleidern angekom- men!«
Brendan lachte. »Stimmt, Schwesterherz. Bei meiner Ankunft trug ich ein äußerst elegantes Flanellhemd und Sackhosen mit modischen Hosenträgern - und dazu den zottigsten, struppigsten Bart diesseits der Rocky Mountains«, verkündete er dramatisch. »Meine Liebe, du hät- test mich bestimmt nicht erkannt und wahrscheinlich auch nicht erken- nen wollen.«
»Woher hast du dann die Kleider?« wollte Mara wissen.
»Wenn ein Mann genug Gold in seinen Taschen hat, ist einfach alles möglich«, antwortete Brendan mit einem selbstzufriedenen Lächeln. »Ich brauche nur mit den Fingern zu schnippen, und jeder Wunsch wird mir erfüllt. Ein Schneider näht mir über Nacht einen neuen Anzug. Und währenddessen speise ich Hummersalat und Rinderfilet in
Pilzsoße, trinke Champagner und lasse mir dann ein schönes Mädchen aufs Zimmer kommen.«
»Brendan«, fragte Mara atemlos, »bist du reich?«
»Allerdings«, antwortete Brendan wie nebenbei. Aber seine Augen strahlten.
Mara starrte ihn eine Minute lang schweigend an. Sie konnte einfach nicht glauben, was sie da hörte. Wie konnte das auch wahr sein? Sie waren tatsächlich reich. Brendan hatte ein Vermögen gemacht. Unfaß- bar! Bestimmt würde sie gleich aus diesem wunderschönen Traum erwachen.
»Nein, es ist wahr, Schwesterherz«, riß Brendan sie aus ihren Gedan- ken, die er richtig gelesen hatte. »Ich würde dich nicht anlügen. Wir sind reich. Himmel, wir sind tatsächlich reich!«
»O Brendan, Brendan, du hast es geschafft!« Mara weinte vor Freude und Stolz, während er den Kopf zurückwarf und laut lachte, bis sein Gesicht rot anlief. Sie tauschten einen Blick, denn sie brauchten nicht auszusprechen, was beide in diesem Augenblick dachten. Endlich konnten sie ihre Vergangenheit vergessen.
Wie schön die Sonne auch scheint, sie muß doch untergehn
FERDINAND RAIMUND
Kapitel 8
María Velasquez stand in ihrem rosafarbenen Boudoir und ließ den Blick über die elegante Einrichtung schweifen, die ihre eigene Schön- heit noch hervorhob. Spiegel mit vergoldeten Rahmen an allen
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