Herzen im Feuer
Wänden reflektierten das Licht des prächtigen Kristallüsters, der über dem weichen Teppich in der Mitte des Zimmers hing. Weiße Seidengardinen und schwere rote Samtvorhänge waren vor die Fenster gezogen. Rosen- holzsessel mit seidenem Bezug und eine weich gepolsterte Chaise- longue waren geschickt über den Raum verteilt. Dominiert wurde der Raum jedoch von einem riesigen Himmelbett, das mit rotem Samt bezogen war und alle Blicke auf sich zog. Die rote Tagesdecke und das Fell, das zusammengefaltet am Fußende lag, ließen es all jenen Män- nern, die aus der eisigen Sierra zurückkehrten oder gerade eine lange Seereise hinter sich hatten, wie einen Hort und sicheren Hafen erschei- nen. Der Raum und die Frau standen jedem zur Verfügung, der genug Gold in seinen Taschen hatte.
María Velasquez überzeugte sich immer davon, daß sie sich dieses Vergnügen auch leisten konnten, bevor sie sich ihnen hingab. Zeit war Geld in dieser Stadt voller zahlungskräftiger Kunden. Sie schaute aus dem Fenster auf den Regen, der in heftigen Böen gegen die mit Schin- deln verkleideten Mauern trieb. Sie zog eine Schnute, wandte sich vom Fenster ab und schlang ihren durchsichtigen seidenen Morgenrock um ihren hellhäutigen Körper.
San Francisco war beinahe eine Enttäuschung gewesen, als sie vor kaum einem Monat aus Europa hier angekommen war. Aber sie hatte
bald hinter die schäbige Fassade geblickt und jene Goldmine entdeckt, die sich ihr in dieser Stadt bot. Hier war alles möglich, vor allem für eine ehrgeizige Frau wie María Velasquez.
Mit einem verführerischen Hüftschwung - eine einstudierte Bewe- gung, die ihr längst in Fleisch und Blut übergegangen war - schlenderte María zu dem großen Wandschrank hinüber, dessen Türen nur ange- lehnt waren. Sie öffnete sie ganz und starrte mißmutig auf die farben- frohe Kollektion von Abendkleidern, die ihr zur Auswahl stand. Ihr berechnender Blick glitt über Seide, Satin und Samt, bis er auf einem tief ausgeschnittenen roten Seidenkleid zur Ruhe kam, das mit schwarzem Samt verziert war. Sie zog das Gewand aus dem Schrank und breitete es auf dem Bett aus. Ihr Amethystcollier mit den dazugehörigen Ohrrin- gen und ihr dunkelrotes, mit Nerz besetztes Samtcape würden ausge- zeichnet dazu passen. Sie gab sich heute besonders viel Mühe mit ihrer Abendgarderobe, denn sie würde mit jemand ganz Besonderem dinie- ren, und sie legte es darauf an, ihren Gastgeber zu betören. Jacques d'Arcy würde es ganz bestimmt noch weit bringen. Außerdem besaß er Stil und Manieren, was man von den meisten Männern in dieser Stadt nicht gerade behaupten konnte.
María war vor ihrer Abreise die Geliebte von Prinzen und Grafen, Generalen und Bankiers gewesen, Männern, die es in Europa zu Wohl- stand und Hinfluß gebracht hatten. Wie ihr Vorbild Lola Montez hatte sie über ihre Liebhaber sogar Einfluß auf die Politik genommen. Sie hatte in Luxus gelebt, u nd immer hatten genug Bedienstete zu ihrer Verfügung gestanden, um ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Aber irgend- wann hatte sie es nicht mehr über sich gebracht, sich diesen alten, verderbten Lüstlingen hinzugeben, nur um an deren Geld zu kommen.
María Velasquez läutete ihrem Dienstmädchen und schwor sich, daß in San Francisco alles anders werden würde.
Sie würde es ihnen allen zeigen und als reiche Frau nach Europa zurückkehren. María stampfte ungeduldig auf. Wo blieb denn das verdammte Gör? Sie läutete noch einmal, bis sich die Tür öffnete und das Mädchen mit betretenem Gesicht vor ihr stand.
María nahm ihre Haarbürste vom Frisiertisch und schleuderte sie auf das eingeschüchterte Ding, das ihr als Dienstmädchen diente. Die Bürste traf es an der Schulter, bevor es sich ducken konnte. Das blasse Mädchen zuckte schmerzerfüllt zusammen und biß sich auf die Unter- lippe, bevor sie sich ängstlich ihrer wutentbrannten Herrin näherte.
»Wo hast du gesteckt?« tobte María. »Du sollst dich um mich küm- mern, nicht um irgendeinen liederlichen Don Juan aus dem Hafen!« Das Mädchen war fast noch ein Kind. Sein Körper war kaum entwik- kelt, und das blonde Haar umrahmte in langen Strähnen sein schmales Gesicht.
»A-aber...«, wollte sich das Mädchen mit tränenerstickter Stimme rechtfertigen.
»Ich will keine deiner Lügen hören, Ellen. Es ist abscheulich, wie du allem hinterherläufst, was Hosen trägt. Du solltest dich wenigstens dafür bezahlen lassen«, ergänzte María gehässig. »Jetzt laß mir mein Bad ein
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